Istanbul

Metropole auf zwei Kontinenten

Zwischen Alptraum und Tausend-und-eine-Nacht

Bosporus, Istanbul, Türkei

Taksim Platz, Istanbul, TürkeiDas Stadtgebiet, von dem niemand wirklich weiß, wie viele Menschen hier leben, liegt auf beiden Seiten des Bosporus, also zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer.
Istanbul liegt am  Nordufer des Marmarameeres, sowohl im europäischen Thrakien als auch im asiatischen Anatolien. Sie verbindet Europa und Asien und hat sich dieser Aufgabe so sehr gewidmet, dass ihre Funktion als Verkehrsknotenpunkt mindestens mehrmals täglich zum völligen Erliegen kommt.

Nicht die Bahn. Schienen liegen recht wenige in der Stadt und, obwohl der Hauptbahnhof ein schönes, respektables Gebäude ist, geht man hierhin eher, um Ruhe in gepflegter Jugendstil-Atmosphäre, als Anschluss an die Welt zu suchen.

Busbahnhof, Istanbul, TürkeiEinmal, wir hatten in dieser wunderschönen, magischen Stadt am Abend unseres Abfluges einfach die Zeit vergessen, was hier in Istanbul überhaupt kein Problem ist – wir kommen noch darauf – und weg der Flug.

Nun denkt man als Erstbesucher, in dieser riesigen Stadt dürfte das kein Problem sein, weit gefehlt. Ihre Transitlage und mit zwei zentralen Kopfbahnhöfen, zahlreichen Fernbusbahnhöfen, zwei großen Flughäfen und einem ausgeprägten Schiffsverkehr dürfte für „Verspätete“ doch sicherlich ein geeignetes Verkehrsmittel zur Verfügung stehen; Flug gab es aber nur von Thessaloniki aus, also, nach Thessaloniki.

Flug nach Thessaloniki, no Sir. Also zum Esenler Otogar, dem Internationalern Busbahnhof Istanbul. Riesig wie eine deutsche Kreisstadt, aber kein zeitnaher Bus nach Thessaloniki. Überall sonst wohin, kein Problem. Die Busse fahren fast viertelstündlich. Aber ins „gehasste“ Griechenland, no, Sir, tomorrow. Na dann, egal, fahren wir eben Zug.

Von außen ein schönes, weitgehend im Originalzustand erhaltenes Gebäude, aber hier sollen massen haft Züge abfahren? Innen eines der größten Beispiele des europäischen Orientalismus mit kleinem Eisenbahnmuseum, aber gerade mal vier Gleisen. Man fühlt sich wie im Orient im vorletzten Jahrhundert; toller Service, kaum Menschen, schöne Einrichtung. Die Fahrt auf der Schmalspur dauerte dann über 24 Stunden für gerade mal vierhundert Kilometer ins griechische Thessaloniki, wobei noch erwähnt werden will, dass unterwegs von den Mitreisenden recht nachdrückliche Aufforderungen an die wenigen Touristen, also auch uns, ergingen, einige Schmuggelgegenständige im Gepäck durch den Zoll zu bringen; Vorsicht! Irgendwann morgens um 6 Uhr mussten alle den Zug verlassen, verschlafen ein paar hundert Meter über „Buschland“ zu einem Zollhäuschen torkeln. Nach ca. einer Stunde ging es dann weiter.
Also, besser mit dem Bus.


Jenseits von Raum und Zeit – Die Kirche der Heiligen Weisheit

Hagia Sophia, , Istanbul, Türkei

Istanbul, TürkeiWas ist das Faszinierende dieser Stadt? Die Frage ist leicht beantwortet: Istanbul – diesen offiziellen Namen erhielt die Stadt erst im Jahre 1930 – ist eine Stadt, außerhalb von Raum und Zeit.
Natürlich nicht überall, aber zu großen Teilen und in zahllosen Bauwerken und Traditionen. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit wird man hier fündig, soweit die eigene Phantasie und Kenntnis von der Jahrtausende alten Geschichte der Stadt es einem erlauben.

Symbolisch dafür steht die Hagia Sophia. Die Kirche der „Heiligen Weisheit“ ist seit Atatürks weiser, aber nach wie vor nicht konfliktfreier Entscheidung ein Museum. So nahm der Gründer des Nationalstaates Türkei die Kuppelkirche aus der Zeit und aus dem Zwist, dass sie sowohl als das religiöse Symbol  für das Christentum als auch für den Islam steht.
Seit 641 n. Chr., dem Jahr ihrer Einweihung, war sie Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie und mit der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 gilt sie als Hauptmoschee der Osmanen und des Islam.

Istanbul, TürkeiHagia Sophia, Istanbul, TürkeiDie Hagia Sophia war Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, das heute in der Georgskathedrale im Phanar in Istanbul seinen Sitz hat und Oberhaupt von etwa 350 Millionen orthodoxen Christen ist.

Als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser seit 641 ist die Hagia Sophia in besonderer Weise mit der byzantinischen Geschichte verbunden und ihre Symbolkraft  von außerordentlich hoher Bedeutung für die orthodoxe Christenheit bis heute.

Und ihre Symbolkraft weist auch wesentlich weiter zurück über das Jahr ihrere Erbauung hinaus, mindestens bis in die Zeit Kaiser Konstantin I. um 325 n. Chr. mit dem der Aufstieg des Christentums zur wichtigsten Religion im Imperium Romanum in der von ihm eingeleiteten konstantinischen Wende begann.

Sichtbar wurde die Bedeutung der „Heiligen Weisheit“ nachdem in jüngerer Zeit einige osmanische Übertünchungen, vor allem in der Kuppel, wieder entfernt worden sind.

Bereits im sog. byzantinische Bilderstreit während des 8.und 9.Jhs.,  bei dem es um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von Ikonen ging, wurden  Mosaiken mit menschlichen oder tierischen Darstellungen entfernt, fortan blieben lediglich ornamentale Mosaiken in den Seitenräumen und auf der Empore erhalten.

Unter osmanischer Herrschaft und dem religiösen Einfluß der Imame verschwanden alle christlichen Darstellungen unter Putz und Farbe (wenn sie nicht ganz verschwanden), von denen heute ein paar wieder zu sehen sind. Christliche Insignien wurden teilweise durch muslimische ersetzt, die Ikonen entfernt, Mosaike und Wandgemälde teilweise zerstört, übertüncht oder unter Putz gelegt, Kreuze gegen den Halbmond ausgetauscht.

Bei den Bemühungen nach 1934, den ursprünglichen Kirchenraum wieder weitgehend erlebbar zu machen, achtete man darauf, die späteren muslimischen Einbauten nicht zu zerstören. Von der Empore hat man heute einen guten Blick auf die an den Hauptpfeilern angebrachten, 7,5 Meter durchmessenden, hölzernen Rundschilden. Auf ihnen stehen in arabischer Kalligraphie die Namen von Allah, des Propheten Muhammad, der vier „rechtgeleiteten“ Kalifen Abu Bakr, Umar, Uthman und Ali, sowie die Namen der beiden Enkel des Propheten Hassan und Hussain.

So wird die über tausendfünfhundertjährige Geschichte des Bauwerks und seine Bedeutung für zwei große Weltreligionen gleichzeitig und räumlich wieder erlebbar, leider nur als Museum und nicht als Kirche, die von beiden Religionen genutzt wird. Auch, wenn sie es nicht gerne hören: beide Kirchen, Christentum und Islam haben in ihrem monotheistischen Absolutheitsanspruch kaum vor der Zerstörung der jeweils anderen Symbole zurückgezuckt.

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 2: Die Stadt Istanbul heute.

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