Köln – Zwesche bütze un bedde

Visite ma tente?.

Warum ist es am Rhein so schön?

Köln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland

Ob er nun abfährt oder gerade wiederkommt, der Kölner – und das gilt im Folgenden natürlich auch für die Kölnerin – wird dann ganz still und feierlich beim Anblick dieses letzten Kilometers mit Deutzer Brücke, Reiterdenkmal, Hauptbahnhof und Dom. Selbst Zugezogenen, die sog. Immis, ergeht es nach wenigen Jahren so und Menschen aller Konfessionen und sexuellen Orientierungen.

Selbstverständlich Christen, katholischen oder protestantischen Glaubens, verdrücken eine Träne und scheinen die Hände zum Gebet zu bewegen, nähert sich der Dom hinter Brücke und Bahnhof nach langer Rückreise. Ja, auch Schwule, Lesben und Transsexuelle, von denen es in dieser Stadt reichlich gibt, als auch Linke aus den alter 68er Zeiten drehen sich auf den harten Sitzplätzen der Bahn am Ende der Deutzer noch einmal um für einen letzten Blick auf den Dom in der Gewissheit, wir verlassen die Stadt nur vorübergehend. Der Dom wird da sein, wenn wir den Weg von der großen Party aus der entgegengesetzten Richtung wieder nach Hause kommen.

Gerhard Richter, Köln, Nordrhein-Westfalen, DeutschlandDer Kölner Dom kriegt sie alle. Seine schärfsten Kritiker, Gäste aus aller Welt, Ungläubige, Atheisten, Vertreter anderer Religionen, sogar Düsseldorfer, Oberbayern und Sachsen.

Richter, der Gerhard, einer der, wenn nicht der bekannteste zeitgenössische Maler, musste das erleben. Selbstbewusst nahm der Künstler den Auftrag des zuständigen Kölner Domkapitels zur Neugestaltung des Südquerhausfensters an.
Nahm dann eine Fotografie seines Bildes „4096 Farben“ aus dem Jahr 1974, zerschnitt es, klebte es hinter das Maßwerk der Fenster und lehrt seitdem die jungen Kunststudenten, dass mit ihm, Gerhard Richter, der Zufall als ästhetisches Phänomen gleichwertvoll sei wie vordem alle ästehtischen Prinzipien klassischer Malerei.

So weit so gut, feiert bis heute die Kunstgeschichte und die Kunstphilosophie diese Apotheose des Zufalls, des entsymbolisierten, prinzipienlosen, atheistischen Ingenius der Kunst als wahres Verdikt ihrer souveränen Freiheit.

Gegner von Richter daselbst war Gott, denn – wie es heißt: Gott würfelt nicht, also herrscht nicht der Zufall, also steht Gott und damit die katholische Religion im krassen Widerspruch zum Richter.
Gerichtet wurde Richters Fenster aber nicht durch die harsche Kritik des Kölner Kardinal Meisner, der zwar nicht dem Domkapitel angehörte, aber lauthals und in seiner allenthalben bekannten intellektuellen Bescheidenheit beim Anblick des Fensters sofort den gloreichen Einzug des Islam in den Dom assoziierte:
„Das Fenster passt eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus. Wenn wir schon ein neues Fenster bekommen, soll es auch deutlich unseren Glauben widerspiegeln. Und nicht irgendeinen.“
Dem Denkvolumen des geistigen Würdenträgers ging der Gedanke, dass hier gar kein Glaube, nicht mal irgendeiner zur Darstellung kommen sollte, wohl über’s Volumen hinaus.

Köln, Nordrhein-Westfalen, DeutschlandAuch nicht die Medien, die bundesweit in schierem Aufgeregtsein die Richter-Scheiben reihenweise in ihren Kolportierungen einschmissen, fällten das letzte Verdikt über den Maler. Medien hängen ihren Verstand gerne in jede politische, soziale und v.a. ökonomische Windrichtung, dass aber der Herr Kardinal so wenig Glauben an ein Gotteshaus besitzt, zumal eins, von dem man ja nun weiß: wenn Gott auf Reisen durch deutsche Lande geht, steigt er natürlich zuallerst im Kölner Dom ab, verwundert schon sehr.

So leuchtet Richters gänzlich atheistisches, areligiöses Farbtafel-Zufallprinzip aus dem Südquerhaus ins Gotteshaus, Heerscharen von Kölner, Düsseldorfer und Besucher aus dem domlosen Rest der Welt stehen dort mit andächtigem Blick nach oben in Richtung Offenbarung, weniger einer ästehtischen, als einer göttlichen, schießen Fotos wie wild oder sitzen auf harten Katholikenbänken, andächtig, wenigstens gedanken-versunken.

Der Dom hat den Richter geweiht. Der Dom hat gesiegt, hat den Ketzer vielleicht nicht, aber sein Werk bekehrt. Der Dom hat in Köln die Macht über die Seelen der Menschen und wenn der dicke Pitter dazu noch schwingt, wird es sogar bei den zahlreichen Parties, den dauernden rauhen Rock-, Pop-, Hipp-Hopp-Events in dieser teils etwa abgeranzten Party-Stadt kurz still, trägt der Dom die Idee des Erhabenen in Locations, die noch nicht einmal eine Ahnung davon haben, dass es so etwas irgendwann einmal gab in dieser schrillen Welt.

Wenn Sie also wissen möchten, wie ein Kirchenfenster moderner Prägung auszusehen hat, das seiner göttlichen Umgebung und Bedeutung bestmöglich gerecht wird, denn gehen Sie in den Kölner Dom ins Südquerhaus. Es gibt weltweit kein besseres Besipiel.

Und dass dem so ist, mögen Sie an der Kathedrale von Reims erkennen. Die Verantwortlichen dort in Frankreich, schwieriges Pflaster für Deutsche zumal, wegen der Geschichte dort, wollten zur Wiederherstellung der durch die Nazis zerstörten Fenster der Kathedrale ursprünglich Gerhard Richter, fanden, nach dessen selbstredender Absage in Imi Knoebel einen würdigen Freund im Geiste.
So würde kein Franzose die Fenster von Imi Knoebel in der Kapelle, die dem nationalen Heiligtum Jeanne d’Arc geweiht ist, profan zufällig nennen und der Hausherr, der Erzbischofs von Reims, Thierry Jordan, auch nicht wie Kardinal Meisner aufheulen vor Blasphemieverdacht, Islamophobie und Religionsverrat; Vive la France!

koeln-2015- (25-2)


Köln, Nordrhein-Westfalen, DeutschlandKöln, Nordrhein-Westfalen, DeutschlandKöln, Nordrhein-Westfalen, DeutschlandAch ja, die Franzosen. Et hillije Kölle hat schon vieles geschluckt. Zuletzt die Franzosen. Die kamen am 6. Oktober 1794 als Besatzer während der sog. Koalitionskriege in die Stadt und hatten eigentlich vor, hier zu bleiben. Köln wurde Bestandteil der französischen Republik und 1798 in das Département de la Roer eingegliedert.
Jean-Étienne Championnet, der Befehlshaber des linken Flügels Franzosen, sah die freundliche Begrüßung der Kölner mit Freude, erließ daraufhin happige, teils niederdrückende Abagen, was aber der Loyalität der Kölner gegenüber dem Napoleonischen Kaiserreich erstaunlicherweise keinen Abbruch tat.

Die Assimilationskräfte der Kölner waren derart groß, dass es aber mit der Zeit selbst dem Franzmann hier zu heiß wurde. Anfangs lud Monsieur die Kölschen Mädchen noch allabendlich ein in sein Zelt, aber als dann die Generalität und politische Führung der Besatzungsarmee das Ausmaß der Fisimatenten (das kommt vom franz. visite ma tente?) gewahr wurden, hatten sie alle Hände voll damit zu tuen, die vom ausschweifenden Liebesleben ermatteten Glieder der „Überläufer“ wieder stramm in die Reihe zu stellen. Der Franzose zog irgendwann mal wieder ab, aber das savoir vivre und die Fisimatenten blieben in Köln.

Dass der Kölner die Franzosen so mochte, lag und liegt an der langen Tradition der Auseinandersetzung zwischen den Patriziern bzw. dem patrizischen Rat und den nicht im Rat vertretenen Zünften, die bis ins 14. Jhd. reicht. Die Zünfte, aus denen dann die Bürgerschaft wurde, hatten natürlich ein weit offenes Ohr für die Ideen der Französischen Revolution und den Litertinismus, der die Stadt bis heute prägt und wofür an oberster Stelle der Neumarkt, Kölns größter Platz, steht.

Hier wurde im 10.Jhd. der Vorgängerbau der heutigen Kirche St. Aposteln, des Apostelnstifts „apostolorum nomen“ errichtet. Nach der Besetzung durch die Franzosen hieß er: Place de la République. Auf ihm horteten Patrizier ihre Waffen, die Franzosen Pulver und Generalität – Napoleon übernachtete zweimal hier – stand lange ein Freiheitsbaum und fand im 19. Jhd. der Rosenmontag statt. Der Neumarkt trägt so die Kerne der Kölner Geschichte: Kirche, Kaiser und Karneval.

Aber ein „K“ fehlt noch, das „K“ von Krat (Kröte), wichtig für das Verständnis der Kölner Umgangssprache und Seele.
Der Neumarkt hieß früher Nümaatskrat und so wurde, äußerst abwertend, ein wüster Mensch bezeichnet, der zum Gesindel gehört, weil er sich häufig auf öffentlichen Plätzen aufhält.

Auf den Namen des Platzes gehen außerdem die Begriffe Nümaatsbroder‚ Neumarktsbruder, und Nümaatsflitsche‚ Neumarktsflittchen, zurück. Jener bezeichnet einen Müßiggänger, der den Tag auf den Bänken des Neumarkts verbringt, diese eine zügellose Umhertreiberin und Prostituierte. In jüngerer Zeit wurde die Hipp vum Nümaat von der unnachahmlichen Trude Herr und Wolgang Niedecken von BAP besungen. Nach der Rolling Stone Melodie: Beast of Burden besangen sie eine Frau, die sich über ihren abtrünnigen Mann und ihre Nebenbuhlerin auslässt und diese wegen ihres dürren Körperbaus als Hipp, was auf Kölsch so viel wie Ziege, schmales, mageres Stück Vieh, hagerer Mensch meint.

Neumarkt, Karneval und exessive Libertinage bilden in Köln bis heute eine exklusive Einheit, die man allabendlich, aber besonders an den Wochenende in der angesagten Feiervierteln der Stadt miterleben kann, deren modernste Erscheinung die Parade zum Christopher Street Day, mittlerweile größtes Event für Schwule, Lesben und Transsexuelle in Europa, alljährlich im July bildet.

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