Monika M. Seibel Fotografie - Seite 3

Sic transit gloria mundi

Der Ort der Vorstellungen und Phantasien.

Der Tod beginnt mit der Geburt, Monika Seibel Fotografie - Erntereste schrieb einst Sigmund Freud und stellte sich damit in die Tradition der Daseins-Philosophie, die ihren Höhepunkt bei Heidegger fand. In der Seele der Menschen ist also der Tod im Leben als dessen Endlichkeit stets anwesend wie auch generell das Seelenleben seine Entwicklung aus der Wahrnehmung der Differenz von Anwesenheit und Abwesenheit gewinnt.

In der Psychoanalyse steht dafür das „Fort-Da-Spiel“ des Kleinkindes, in der Kunst gründet das Verhältnis von Anwesenheit und Abwesenheit in der Darstellung selbst.

Was sehen wir, wenn wir etwas sehen, scheint eine triviale Frage zu sein, ist sie aber nicht. Relativ schnell werden wir gewahr, das wir beim „zweiten“ Hinschauen oder beim Nachdenken über das Gesehene etwas ganz anderes sehen, als wir gerade meinten gesehen zu haben. Dass Dinge nie vollständig wahrgenommen werden können, weiß man. Was wir sehen sind immer nur fragmentarische Ausschnitte und Abschattungen und so steht jeder wahrgenommene Gegenstand auch in einer fundamentalen Beziehung zum Sichtbaren wie zum Unsichtbaren gleichzeitig. Beobachten können wir immer nur Oberflächen. Was hinter ihnen liegt, können wir uns prima vista nur vorstellen, denken oder wissen, aber unmittelbar nicht sehen. Um so wichtiger ist, dass Kunst uns dazu anregt, provoziert. Die Referenzen, die auf die Welt des Unsichtbaren hinauslaufen, sind in den Arbeiten von Monika Seibel vielfältig. Halbtransparente Abdeckungen, starke Lichtkontraste, Spiegelungen, Wucherungen von Rost u.a. sind solche Referenzpunkte, an denen sich Anwesenheit und Abwesenheit, Sichtbares und Unsichtbares brechen und unsere Vorstellungen und Gedanken freisetzen.

Monika Seibel Fotografie - HäutungenHat seit der Entdeckung der Perspektive, also der Darstellung des dreidimensionalen Raums, die Malerei alle Möglichkeiten gewonnen, die Vorstellungen von der Welt und des in der Welt sein des Menschen darzustellen, fehlt der Fotografie grundsätzlich diese Möglichkeit.

Was immer auch sie im Augenblick der Betätigung des Auslösers zur Darstellung bringt, und daran ändert sich auch nichts wesentliches, wenn Photoshop exzessivst zum Einsatz kommt, ein Foto ist immer eine Darstellung anwesender Wirklichkeit, die technisch nichts Abwesendes zur Wirkung bringt.

Die Kunst in der Fotografie ist, das „Fort“ zur Darstellung zu bringen, die Wirkung von etwas Abwesendem sinnlich erfahrbar, Abwesenheit in der Anwesenheit sichtbar zu machen.

Monika Seibel Fotografie - Portraits vor BattistMonika M. Seibel ist eine Meisterin darin. Ihre Arbeiten bewegen unsere Gedanken und Vorstellungen, hinterlassen emotional dichte Eindrücke. Sie haben energeia, wirkende Kraft, wie Aristoteles sagt.

In Teilen des modernen Kunst-Diskurses blüht wieder jene Auffassung auf, die behauptet, Kunst lasse uns etwas sehen, etwas Ursprüngliches, Authentisches, etwas Wahres und Originelles mit und nur mit den Mitteln der Kunst.

Noch einmal die zentrale Frage: Können Foto-Kunstwerke auf ihren Oberflächen dieses verborgene Sein überhaupt zur Anschauung bringen? Uns eine wahre Idee der Welt vermitteln?

Oder sind Kunstwerke, wie Sartre und Merleau-Ponty verstehen, nicht eher in dieser Paradoxie von Anwesenheit und Abwesenheit gefangen, sind transparente Platzhalter, die auf etwas verweisen, was eben nicht mit Mitteln der Kunst dargestellt werden kann?

Mir scMonika Seibel Fotografie - in betweenheinen Sartre und Merleau-Ponty in die richtige Richtung zu weisen, zumindest wenn es um die hier diskutierten Arbeiten geht. Die Emotionen und Vorstellungen, die sie auslösen, sind gewiss in den Arbeiten von Monika Seibel nicht simple thematische Prejudice.

Manchmal erreichen sie uns auf eine äußerst verführerische, raffinierte Art im Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit, dass die Fotografin mindestens virtuos versteht zu eröffnen und zu spielen. Platzhalter unserer Phantasien schmeicheln sie uns mit der Präsenz ihrer Sujets, die uns allen Raum und die Lust lassen, zu sehen was man mag, zu denken, was jeder einzelnen von uns will, auch zu glauben, was man eben glauben möchte.

Hinter die Kulissen der Illusion geschaut.

Die Antwort auf die Frage, ob Kunst uns die Idee der Welt vermitteln kann, fällt in den Arbeiten von Monika Seibel eindeutig negativ aus. Aber sie entschädigen uns für den Verlust der großen Idee reichhaltig, sind wie jene endlos lange Reihe bildhübscher, blühender Frauengestalten, die der Kunst zeitlebens als Musen dienten, vor uns exponierte Körper für Portrait und Aktstudien, unnahbar in ihrem verführerischen Sein als Projektionsfläche unserer Phantasien und Vorstellungskraft.

Monika Seibel Fotografie - Natur im SpiegelVirtuos ist auch das Spiel bzw. der fotografische Umgang von Monika M. Seibel mit einem weiteren, zentralen Element der Vanitas-Motive, das früher als Trompe-l’œil, Illusionsmalerei bekannt war, nah verbunden ist mit dem Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit und heute eine kleine Renaissance in der Fotografie erlebt.

Hier wirkt das Paradoxon des Wirklichen. Dies gründet im wesentlichen darin, dass Fotografie wie Kunst überhaupt Wirklichkeit nicht abbilden kann und durch eine Art „Dopplereffekt“ einerseits zwar das Artifizielle des Bildes, seine Aussage wie seine Komposition verstärkt, aber gleichzeitig eine „eigene“ Wirklichkeit schafft, wie das am deutlichsten erscheint, wenn Fotografie Kunst fotografiert.

Monika Seibel Fotografie - RharbarberMonika Seibel Fotografie - bis aufs Blut Monika Seibel Fotografie - bis aufs BlutMonika Seibel Fotografie - Ground ZeroIm Trompe-l’œil wirkt Lebendigs tot, Flaches plastisch wie umgekehrt. Vermoderndes, Verwesendes fordert unsere Sinne heraus wie in Patrick Süskinds Roman: Das Parfum uns den extrahierten Duft aus den ermordeten Frauen auf äußerst extreme Art das verschwundene, ausgelöschte Leben der Frauen zur Vorstellung bringt.

Besonders der Horror-Film wie etwa das Schweigen der Lämmer bedient sich der Trompe-l’œil, ebenso auch bestimmte Arten der journalistischen Berichterstattung, wie wir sie etwa in den Bildern der Terroranschläge von 9/11 (11. September 2001) erleben durften, die durch eine apokalyptische Surrealität fast schon wie in den mittelalterlichen Vanitas-Symbolen die Bilder in die Vorstellung der Beherrschbarkeit von Katastrophen umschlagen ließen.

Wie immer auch, Monika Seibels Fotografien sind enorme Herausforderungen der Sinne und der Vorstellungskraft, nicht nur in eine Richtung, in der uns Schauer von Grusel und Schrecken über den Rücken laufen, sondern geradezu auch in die andere Richtung, wo wir spätestens beim zweiten Blick gewahr werden, dass eben nur der Schein des Dargestellten unheimlich scheint, hinter ihm sich aber eine recht unbedrohlich banale, beruhigende Realität enthüllt. Ganz sicher sein kann man sich dabei aber nicht immer.

Monika Seibel Fotografie - Sculptures on the wall

Und was on-top faszinierend ist, ist der ‚Blick hinter die Kulissen‘, den einige der Zyklen von Monika M. Seibel uns gewähren, in dem an die Stelle der Wirklichkeit etwas tritt wie das Making- of der Katastrophe, ein geradezu friedlich wirkendes technisches Know-how im Umgang mit Natur und Mensch, an dessen zahme und fast schon surreal schöne Bilder wir uns mittlerweile so sehr gewöhnt haben, dass selbst die Monstrosität der Technik uns vorkommt wie künstlerisch geschaffene Monumente der modernen Plastik und Bildhauerei.

 

 

 

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