Roms Plätze – Teil 1 - Seite 2

Von der Piazza del Popolo bis zum Forum Romanum

Piazza Navona. Was für eine Geschichte, was für ein ungleicher Kampf?

Piazza Navona, Rom

Wikipedia

Ares Statue

Ares Ludovisi, römische Kopie nach einem griechischen Original von etwa 320 v. Chr., Ergänzungen von Gian Lorenzo Bernini. Wikipedia

Hier war das berühmte Marsfeld. Ein öffentliches Gelände, dem Kriegsgott Mars verantwortet, sumpfig, als Weidenland für Schafe und Ziegen genutzt, wenn nicht gerade als Trainings- und Exzerzierplatz für die römischen Soldaten.

Vor den Toren der Stadt gelegen, konnte hier fremde Kulturen ihre Tempel bauen, wurden Triumpfzüge abgehalten, Delegationen empfangen; ein schier kunterbuntes Gebrauchschaos.

Dem aber nicht genug; der Campus Martius war nicht nur Ort von Volksversammlungen, fremden Kulturen, Event- und Truppenübungsplatz sondern unter Cäsar befand sich hier das erste Stadion Roms in der Tradition der griechischen, athletischen Wettkämpfe. Es hatte die Ausmaße von 275 mal 106 Meter und bot über 30.000 Zuschauern Platz. Beim römischen Volk nicht ganz so beliebt wie die blutrünstigen Gladiatorenkämpfe im Colosseum, waren die leichtathletischen Spiele auf dem Marsfeld aber lange Zeit gewissermaßen Parallelveranstaltung und dies blieb das Marsfeld noch, als schon im Colosseum als Circus Maximus das Blut von Menschen und Tieren, von Sklaven, Christen, Gladitoren in Strömen floß und die Menschen Mars‘ Ursprung längst vergessen hatten und wie er einst noch auf dem Marsfeld gefeiert worden war.

Wie Ares, dessen griechischer Vorfahre, galt Mars als zwar Gott des Krieges, aber wohl gleichzeitig auch als Agrargottheit und war mit dem Gedeihen der Vegetation verbunden. Beim Fest des Mars zog die Tanzpriesterschaft in alter Kriegsbekleidung singend und tanzend durch Rom bis dann Kaiser Augustus einen Tempel des Mars Ultor, bennant also als der „Rächer“ an den Mördern Caesars auf seinem Forum errichten ließ.
Dann war’s aus mit dem Singen und Tanzen.

Wettstreit – Meinungsfreiheit – Bürgerprotest. Die stolze Geschichte des Piazza Navona.

Pasquino, Rom

Pasquino, Wikipedia

Piazza Navona, Rom

Wenig aus dieser Zeit ist erhalten, ein Torso namens Pasquino steht in der Nähe des Platzes. Unser heutiges satirisches Gedicht, das Pasquill, geht zurück auf diese sprechende Statue. Sprechend deshalb, weil seit dem Nepotismus der Päpste, also etwa dem 15. Jhd. bis heute die jeweiligen Machthaber, ihre Politik und ihre Skandalgeschichten durch das Anheften von anonymen Spottversen kommentiert wurden. Symbol der Meinungsfreiheit und Ventil bürgerlichen Protestes und kommunaler Unzufriedenheit ist der Pasquino bis heute geblieben. Warum er wohl nicht mitten auf der Piazza steht?
Einst gab es viele dieser sprechenden Statuen in Rom wie etwa den Marforio, den man heute im Kapitolinischen Museum besichtigen kann. Oder der Babuino, der bei der Spanischen Treppe steht und nach dem eine der großen Straßen Roms, die vom Popolo abgeht bennat ist. Der Abbate Luiggi bei der Kirche Sant’Andrea della Valle, der Facchino, eine Brunnenfigur gegenüber dem Palazzo Doria-Pamphilj und die Madama Lucrezia an der Piazza Venezia.
Schade; war eine schöne Sache, der Pasquino.

Bleibt noch zu klären, woher der Platz seinen Namen hat. Wohl geht er zurück auf die eher leichtathletischen Wettstreite, römisch Agon, in Fortführung deren griechischer Vorläufer, dem gymnischen (Leibesübung), hippischen (Reiten) und musischen (Musik, Dichtkunst und Tanz) Agon, in denen etwa Friedrich Nietzsche nichts weniger als das Wesen der antiken griechischen Kultur erkannte. Aus Agon wurde Agone – wie auch heute noch die großartige, weiße Kirche am Platz, die Sant‘ Agnese in Agone im Namen trägt, dann n’Agone und schließlich Navona.
Von all den Dingen spürt man heute leider wenig, zumal der Platz wie oben auf dem Bild auch eher selten heute aussieht. Dem leichtathletischen Kräftemessen und der damit verbundenen Verfeinerung des menschlichen Geschicks zum Nutzen von Staat und Gemeinschaft gewichen ist der gnadenlose Kampf um Sitzplätze in den Cafés und Ristorantes rund um den Navona. Und zur Weihnachtszeit kommt noch ein potthässlicher Christkindesmarkt dazu. Ares, Mars und Mars Ultor haben ihre Waffen gestreckt und schweigen.
Wie es aussieht hat der Navona seinen letzten Kampf endgültig gekämpft und verloren.

Das Forum Romanum – Anfang und Ende der Römischen Kaiserzeit.

Forum Romanum, Rom

Hier nahm sie Gestalt an, die römische Erfindung eines Zentrums, auf dem zugleich das religiöse, kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben stattfand. Es ist das älteste der römischen Foren, einst Mittelpunkt Roms und heute größte, Millionen verschlingende Ausgrabungsstätte, die seltsamerweise kaum einmal einen Massenansturm an Besuchern erlebt.

Trajansforum, RomCloaca-Maxima, RomEin Etrusker war es, König Lucius Tarquinius Priscus, der Anfang des 7. Jhd. die glorreiche Ära des Forums begründete. Was er vorfand war eine sumpfige Senke zwischen drei Hügeln, dem Kapitol, dem Palatin und dem Esquilin, kein Ort von zauberhafter Schönheit, Sauberkeit und Gesundheit; im Gegenteil. Sie wurde von latinischen Siedlern überwiegend als Grabstätte benutzt.

„Hier, wo die Märkte jetzt sind, lagen früher morastige Sümpfe, Löcher mit Wasser gefüllt, stieg im Tiber die Flut. Das ist der Lacus Curtius, wo im Trockenen ein Altar jetzt steht: Festes Land heute, war es doch früher ein See. Wo das Velabrum jetzt den Festzug zum Circus geleitet, war einst nur Weidengestrüpp, wankendes Schilfrohr zu sehn.“ (Ovid: Fasten 6, 401–406)

Eine der größten Leistungen, wenn nicht die größte Roms, städtebaulich, wirtschaftlich, sozio-kulturell und gesundheitspolitisch, war mit Sicherheit die Anlage der Cloaca Maxima, die den Sumpf trocken legte und gleich noch für eine ganze Reihe weiter Entwicklungen der Stadt sorgte.

Das vom Etrusker König begonnene römische Abwassersystem war eine gigantische Erfindung und ein gigantisches Bauwerk, in dem die Cloaca Maxima nur der größte Kanal war.

Mit diesem System, dessen Kanäle teils 3 Meter breit und 4 Meter hoch waren, wurde die Senke zwischen Palatin und Kapital trocken gelegt und damit die Voraussetzung für das Forum als Mittelpunkt der Stadt geschaffen. Später wurden die Kanäle begradigt, ab da sprach man (siehe Ovid) vom Velabrum, sogar eine Göttin für das Kanalsystem, die Venus Cloacina, wurde in der Stadt hoch verehrt.

So manch moderne Stadtverordnete sollten sich mal in Rom darüber informieren, wie man dem Dreck in ihren Städten Herr werden kann; sicherlich kann auch die Verehrung einer Gottheit dabei behilflich sein.

Die beiden ersten Tempel im trockenen, kulturell und religiös aufblühenden Forum waren den Göttern Saturn und Castor gewidmet. Gaius Octavius, Kaiser Augustus, Neffe und Nachfolger von Cäsar war es, unter dessen Herrschaft das Forum sich prächtig entwickelte, wobei ein besonderer Aspekt hier eine Rolle spielen soll: die antike Götterdämmerung.

Unter Augustus, also nach etwa sechshundert Jahren seit Priscus, fand die griechische Tradition der Götterherrschaft und deren römische Fortsetzung langsam ihr Ende. Die Kaiserschaft Augustus‘ war nicht mehr selbstverständlich von Gott gegeben. Vielmehr mußte der neue Kaiser diese Verbindung seiner Macht zu den Göttern selbst erneuern, indem er auf dem Forum Bauwerke errichten ließ, die seinen Namen mit dem der Familie der Julier, deren letzter kaiserlicher Sohn Gaius Julius Caesar war, verband. Damit knüpfte er für sich ein Band, dass die Julier seit jeher verband, deren göttlich-kaiserliche Herkunft, die weit zurück geht auf Aeneas, den Sohn der griechischen Aphrodite (lat. Venus). Die Akropolis in Athen wurde da zum architektonischen und geistigen Vorbild für das Forum Romanum unter Augustus.

Mit der Verbindung zu den Juliern gleichzeitig knüpfte Augustus auch das Band zwischen den griechischen Göttern und seinen Söhnen indem er sie mit Castor und Pollux, den Dioskuren, in Verbindung brachte. Dies war die Geburtsstunde der großartigsten Liebesgeschichte unter Zwillingsbrüdern, die die abendländische Kultur hervorgebracht hat.

Forum Romanum, Rom

 Sterblichkeit und Unsterblichkeit – eine Liebesgeschichte aus Rom.

Polydeukes (Pollux) war als Sohn von Leda und des Zeus ein Halbgott, also unsterblich. Kastor – man streitet arg in Fachreisen über dessen Abstammung – war ein Sterblicher. Sie begleitetn Herakles zu den Amazonen, nahmen an der Fahrt des Iason und der Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies teil.
Ihr Ende begann, als Idas, ein Cousin den Kastor im Streit erschlug, worauf hin Polydeukes den Bruder des Idas mit Namen Lynkeus erschlug. Wie immer mischte sich der liebe Papa Zeus gleich ein und beendete per Blitz das Leben des gewalttätigen Idas. Ohne seinen Bruder verfiehl Polydeukes in unendliche Trauer so sehr, dass er nicht mehr weiterleben wollte und Zeus bat, ihm seine göttliche Unsterblichkeit zu nehmen und so seinem Bruder in das Reich der Toten folgen kann.

Die göttliche Abstammung konnte Zeus dem Sohn zwar nicht nehmen, aber von so viel Liebe gerührt, schlug er ihm diese Wahl vor: Entweder er bleibt unsterblich und wohnt weiterhin bei den Göttern, oder er lebt abwechselnd einen Tag mit Kastor im Reich des Hades und einen Tag ohne ihn im Olymp, altert dabei und stirbt letztlich.

Polydeukes wählte seinen Bruder, wanderte von da an zwischen Hades und Olymp und fortan erinnern wir uns an eine unzertrennliche Liebe und Freundschaft mit der Redewendung: unzertrennlich wie Castor und Pollux (Goethe und Schiller galten als die Dioskuren ihrer Zeit, Simone de Beauvoir und Sartre nannten sich in Briefen Castor und Pollux).

Götterdämmerung der Römischen Kaiser.

Titusbogen, RomGeblieben ist uns also diese Liebesgeschichte und sie fand in den unterschiedlichen Epochen bis heute immer wieder neue Formen und vor allem neue literarische Figuren; Rom, bzw. das Römische Reich aber ging unter.

Die Götterdämmerung nahm unter den nachfolgenden Kaisern ihren unausweichlichen Lauf. Das Forum Roman wurde zunehmend zum Eventplatz, auf dem immer prunkvollere religiöse Zermenonien den Zerfall der symbolischen, der göttlichen Ordnung zu kompensieren suchten.

Immer weitere Foren wurden seit Caesars Regentschaft errichtet. Das Caesarforum, Augustusforum, Friedensforum der Flavier, Nervaforum, Trajanforum – zusammen die sogenannten Kaiserforen – konnten das Forum Romanun aber nie auch nur annähernd ersetzen.

Das Comitium, ein zweiter Platz, wo der größte Teil der römischen Politik gemacht wurde, da sich der Senatssitz, die Curia, und die Rostra, die öffentliche Rednertribüne, dort befanden wuchs an umgekehrt proportional zum Forum Romanum als religiöser Eventplatz.
Mit zunehmendem Einfluß der katholischen Päpste verlor der Platz auch diese Bedeutung, am Ende gar geriet er ganz in Vergessenheit. Die letzten Reste seiner als Legende verschwanden, als er nur noch Campo Vaccino, die Kuhweide, hieß bis dann in der Zeit der Renaissance auch noch seine Bauwerke nurmehr als Steinlieferaten für den Bau des Petersdom genutzt wurde. Kompletter kann ein Ende einer Hochkultur kaum sein. Die Herrschaft der Götter war zu Ende.

Phokassäule, Rom

Phokassäule auf dem Forum Romanum. Wikipedia.

602 n.Chr. wurde schon unter dem Papst Bonifatius IV. das letzte Bauwerk antiker Provenienz auf dem Forum Romanum errichtet, die Phokas Säule zu Ehren eines oströmischen Bilderbuchtyrannen.

Der war ungebildet, ständig besoffen von dauernden Trinkgelagen und bar jedes Realitätssinns, hatte keine Ahnung vom Regierungsgeschäft, glaubte sich aber von Gott auserwählt und tyrannisierte sein Volk bestialisch.

Ohren, Nase, Zunge u.a. ließ er zahlreich und mit leidenschaftlichem Vergnügen abschneiden; wie einem sein Persönlichkeitsprofil und sein Verhalten doch an heutige Zeiten und einigen, deren Bewohnern erinnert.

Aber es wäre nicht Rom, nicht unser geliebtes abendländisches Europa, wäre nicht auch die grausige Figur des Phokas ohne Ambivalenz. Denn ihm verdanken wir Roms vielleicht schönstes Bauwerk, zumindest das beeindruckendste, erhabendste Bauwerk der Stadt: das Pantheon.

Phokas schenkte das Pantheon Papst Bonifatius IV dieses herrliche Kleinod und fast gleichzeitig erließ er ein Gesetz, welches die Rechte Roms auf den Primat der gesamten Kirche anerkannte, auch der oströmischen in Konstantinopel. Na ja, bei derart gewichtigen Geschenken kann man als katholischer Papst ja schon mal ein Auge zudrücken und einen besoffenen Tyrannen zum „Säulenheiligen“ erklären.

 

 

Über Rieder

Oberbayer

Zeige alle Beiträge von Rieder

Ihr Kommentar

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.