Golfreisen: Andalusien - Seite 3

Die Begegnung von Islam und Christentum

Andalusien - AlhambraAndalusien - AlhambraAndalusien - AlhambraUnd nicht nur Spanien profitierte. Ein Besuch in Palermo (siehe auch hier auf on-golf) mag auch den kulturellen Transfer nach Europa hin rasch verdeutlichen. Ja, für die gesamte europäische Geistesgeschichte ist diese Symbiose von Orient und Okzident von großer Bedeutung und macht die einzigartige Leistung von al-Andalus aus. Mittler zwischen beiden Welten waren vielfach die Juden, deren Einfluss in Spanien bedeutender war als irgendwo sonst in Europa und irgendwie überraschte es dann doch nicht, dass Juden wie muslimische Araber entgegen einer respektablen Anerkennung unserer gemeinsamen Geschichte auf die geistig kulturelle Abschussliste in Europa gerieten.

Eine besondere Rolle bei dieser Symbiose von Morgen- und Abendland spielte die Philosophie. Und was wir Europäer unter dem Primat der Ökonomie recht schnell vergessen, ist, dass die islamische Zivilisation nicht minder als das christliche Abendland Erbin der griechischen Antike ist.
Hier in den neu eroberten Gebieten des Byzantinischen Reiches traf der Islam mit offenem Geist auf die Werke der griechischen Wissenschaft und Philosophie. Diese wurden im 9. Jh. im Bagdad der abbasidischen Kalifen unter Vermittlung syrischer Christen ins Arabische übersetzt, das sich nicht zuletzt dadurch zu einer internationalen Kultursprache entwickelte.
Und zu unserem großen Glück blieb der arabische Geist neugierig und allem kulturell anderen gegenüber offen, so dass das Erbe des antiken Griechenlands hier weiterlebte, während im Westen die Kenntnis des Griechischen untergegangen und somit der Zugang zu den Quellen des antiken Denkens verschüttet blieb.

Erst im 12. Jh. schuf der Erzbischof von Toledo und Primas der Kirche von Spanien, Raimund, eine Akademie und Übersetzerschule, die zwar unter christlichem Patronat stand, in ihrer kosmopolitischen Offenheit aber auch zahlreiche gelehrte Juden und Muslime zu sich einlud. In dieser multikulturellen Atmosphäre von Toledo wurden ungezählte philosophische und wissenschaftliche Werke aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt und so im Abendland wieder zugänglich gemacht.

Nicht unerwähnt bleiben darf aber auch nicht die geistige und nicht wenig konfliktreiche Auseinandersetzung zwischen vernunftbasierter Reflexion und göttlicher Offenbarung, die natürlich die Begegnung von griechischem Denken und orientalischer Religion ständig begleitete und später zu tiefgreifenden Spannungen führte. Der Konflikt zwischen vernunftbasierter Reflexion und göttlicher Offenbarung war und ist also viel mehr als ein Religionskonflikt, wie wir heute geschmeidig drüber hinweg gehen, was ursprünglich einmal wirklich war.

Dieser Konflikt hat unsere gemeinsame Welt geprägt, die eine lang andauernde Lebensgemeinschaft in Spanien zwischen orientalischer und okzidentalischer Kultur und Politik war. Genau dort stieß ein an Aristoteles geschultes, religionskritisches, wissenschaftliches Denken mit der vorherrschenden Orthodoxie zusammen, und zwar in allen drei Offenbarungsreligionen, sowohl im Islam als auch im Christentum wie im Judentum.

Andalusien - GranadaAndalusien - GranadaVon christlicher Seite her versuchte im 13. Jh. Thomas von Aquin den Brückenschlag zwischen logischem Denken und Religionsphilosophie bzw. göttlicher Offenbarung. Bei den Juden machte sich Mosche ben Maimon aus Córdoba, bekannt als Maimonides, an diese gewaltige Aufgabe. Im Islam schließlich ist diese Auseinandersetzung untrennbar verknüpft mit dem ebenfalls aus Córdoba stammenden Ibn Rushd, den man in Europa meist Averroes nannte und der der bedeutendste Aristoteliker des Mittelalters war. Averroes verfasste zu nahezu allen Werken des griechischen Philosophen Kommentare, die dann in lateinischer Übersetzung im Abendland ihren Weg in den philosophischen Diskurs fanden.

Wie Thomas und Maimonides beschäftigten Ibn Rushd jene beiden großen Themen der Zeit, einmal das Wort der göttlichen Offenbarung und zum anderen der logisch-rationale Diskurs des Menschen und man kann in ihm den Denker sehen, der den Grundstein gelegt hat für eine rational fundierte Religionskritik innerhalb des Islams, die ihren Weg aus jener Zeit nicht gleichermaßen in die Neuzeit gefunden hat, wie die Philosophie des Thomas von Aquin, auf den sich später alle bedeutenden Philosophen seit der Renaissance, vor allem aber Kant bezogen haben.

Und wenn man heute davon spricht, dass damals der andalusische Traum zerrann und nicht den Mythos einer harmonischen Beziehung zwischen Orient und Okzident im Sinne hat, die es nie gab, dann wird man sehen, dass viel mehr ins Vergessen geriet, als eine Zeit überwiegend sinnvoller militärischer, politischer und kultureller Kooperation. Und vieles, was wir heute gewahren, scheint, als würde Geschichte an den einstigen Hiatus wieder anknüpfen müssen mit einem Versuch, es nach 1300 Jahren vielleicht doch besser zu machen.

Als im Jahre 1085 eine paneuropäische Streitmacht die Stadt Toledo im Zentrum der Halbinsel eroberte, waren die zerstrittenen muslimischen Kleinkönige militärisch so geschwächt, dass sie diesem christlichen Vorstoß nichts entgegensetzen konnten. In ihrer Not riefen sie die Almoraviden zu Hilfe, einen schlagkräftigen Orden von Gotteskriegern aus Nordafrika, die durch Eroberung der ganzen Region der Westsahara im 11. Jh. eine geradlinige Islamisierung aller mauretanischen Völker unter der Herrschaft berberischer Stämme und arabischer Händler erreichten und sich dort politsch fest verwurzelt hatten.

Andalusien - GranadaDiese Almoraviden retteten zwar vorübergehend den Islam in Spanien, waren aber kulturell einigermaßen überfordert, da im Umgang mit geistig offeneren Muslimen wie mit christlich-abendländischer Kultur ungeübt. Ihnen erschien, was sie sahen, als ein einziges Lotterleben, das die spanischen Kleinkönige dort offenbarten und ihr Paktieren mit Christen erschien ihnen so empörend, dass sie nach und nach all diese Königreiche liquidierten und ihre eigene Herrschaft um einen orthodoxen Islam im Zentrum errichteten.

Es kam also zu einer Afrikanisierung, mithin bedingungslosen Schriftgläubigkeit des spanischen Islams, so wie zuvor es schon zu einer Europäisierung des spanischen Christentums gekommen war, der es an Orthodoxie in nichts mangelte. Aus kleinen, militärischen Grenzscharmützeln entwickelten sich bald Dschihad und Kreuzzug.

Im Laufe des 12. Jh. wechselte das Schlachtenglück immer wieder, bis schließlich im 13. Jh. die christliche Seite auf ganzer Linie triumphierte. Danach fristete nur noch das kleine Königreich von Granada ein Schattendasein als Vasall des kastilischen Königs, bis auch dieses letzte Relikt des spanischen Islams im Schicksalsjahr 1492 liquidiert wurde. Beide, Islam und Christentum gingen fortan unversöhnlich getrennte Wege.

Träumen erlaubt.

Wie wäre die Entwicklung Europas und der Welt verlaufen, wenn sich die gedanklichen Ansätze des großen Andalusiers Ibn Rushd in der islamischen Welt durchgesetzt hätten? Wenn zumindest andere nach ihm seine Ideen aufgegriffen und weiterentwickelt hätten? Leider fiel er der Verfolgung durch die almoravidischen Hüter der Orthodoxie anheim. Seine Werke entwickelten ihren Einfluss im Abendland, nicht aber in der islamischen Welt. Dort gerieten sie in Vergessenheit. So konnte das vielleicht bedeutendste Vermächtnis des spanischen Islams, der averroistische Aristotelismus, im Islam selbst seine Wirkung nicht entfalten.1

Andalusien - Granada - Capilla-Real