Mario Feigel Fotografie - Seite 3

Der Seele beim Atmen zuschauen

Dekonstruktionen der Seele: Native Sculptures.

Mario Feigel Fotografie - Native Sculptures

Mario Feigel Fotografie - Native SculpturesNicht nur der Menschenseele wohnt ein destruktives Vermögen inne. Die Zerstörungskraft der Natur ist ubiquitär, gefürchtet, nicht selten endgültig. Destruktion aber ist nicht immer mit dem identisch, was sie zu sein scheint. Darauf hat Jaques Derrida mit seinem Begriff der Dekonstruktion hingewiesen.

Wenn beides: Destruktion und Konstruktion eine Synthese eingehen, entsteht Neues, mitunter auch Kunst. Es ist schwierig, manchmal kontraproduktiv, die Vielfältigkeit von Kunst in verallgemeinernde Begrifflichkeiten zu subsummieren; wenn damit keine Werke abschließend qualifiziert sind, sondern Wege des Denkens und des Diskurses angestoßen werden, kann man das durchaus machen.

Martin Heidegger sprach durchdachterweise weniger von Werken in der Kunst als von Wegen, die sie dem Denken eröffnen. Von Denkwegen, auch von Holzwegen. Sprechen wir also mal verwegen von Native Sculptures, wenn wir die Fotografien von Mario Feigel hier vorstellen, die nach dem großen Sturm Ela von 2014 entstanden sind.

Ela hatte ganze Arbeit gemacht, auch in Düsseldorf, dem Wohnort von Mario Feigel. Die Zerstörungen des Sturms waren in der ganzen Stadt zu sehen. Was nur wenige sahen, waren die Formen des Neuen, die beim näheren Hinsehen mitten in der Zerstörung schon sichtbar waren und wurden. Manches wurde durch Menschenhand, die die Kettensäge bediente, hervorgebracht. Manches durch den Sturm selbst.

So entstanden wahre Skulpturen der Zerstörung durch den Sturm, dessen skulpturschaffende Kraft Werke von monumentaler Schönheit schuf; leider ist die Stadt doch nur in sehr begrenztem Maße bereit, Kunst im sozialen Raum zuzulassen, weshalb die Aufräumarbeiten so schnell als möglich begonnen wurden, dass einem Hinsehen auf die Dekonstruktionen dieser Native Sculptures kaum Zeit blieb.

Dort, wo der Sägenschnitt ansetzte, werden innenliegende Farben und Formen frei, die, ohne die Kraft der Zerstörung vielleicht nie sichtbar geworden wäre. Wo der Sturmbruch ansetzte, enstehen dreidimensiopnale Objekt mit überraschenden Oberflächenstrukturen wie überhapt das Prinzip Überraschung, also der Zufall hier bei der Entstehung der Objekte die entscheidende Rolle spielt. Denn auch wo Menschenhand am Werk war, war die innere Figur schon vom Sturm freigelegt.

Nun ist so grundsätzlich die Erkenntnis, dass Gott nicht würfelt wie die Frage nach dem Zufall in der Kunst: Ist das, was durch den Zufall entsteht Kunst? Wir erinnern uns an die Diskussion um das von Gerhard Richter entworfene Südquerhausfenster des Kölner Doms. Auf einer Fensterfläche von 113 m² wurden 11.263 Farbquadrate in 72 Farben nach dem Zufallsprinzip angeordnet und so ein Affront in gleich doppelter Hinsicht begangen. Den Zufall in ein Gotteshaus zu bringen, anstatt dem göttlichen Prinzip zu huldigen, wäre beileibe schon Gotteslästerung genug. Obendrauf, gewissermaßen als kostenlose Dreingabe wurde von Gerhard Richter gleichermaßen auch die here, göttliche Kunst geschändet, als er auch sie dem prinzipienlosen, undurchdachten, von keinem Genie noch von göttlichem Talent getragenen Beleibigkeit anheimstellte. Nun ja, ganz so verwegen und voller Ressentiments gegenüber seiner ersten und letzten großen Liebe war Richter denn dann doch nicht, zeigt doch sein Kirchenfenster, dass mit dem Zufall durchaus gute, ja sogar Gott gerecht werdende Kunst zu schaffen ist.

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 4: Dekonstruktionen der Seele: Wilder Ozean.

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