Eve of destruction
The Western world, it is explodin'
Jede Kultur-Epoche endet einmal, sonst gäbe es ja keine Epochen. Und nach jedem Ende beginnt etwas Neues, aber wir beschäftigen uns jetzt mit dem Ende. Die letzten Tage einer Kultur-Epoche betrachten wir aus dem, was uns die Malerei heute vorstellt, aber dabei schicken wir voraus, dass es eine bestimmte und nicht die Malerei ist, sondern dass es bestimmte Maler sind und dass das nicht für alle Malerinnen und Maler gilt, also nicht repräsentativ ist. Es gilt für eine bestimmte Malerei, die große Malerei. Groß ist eine Malerei, deren Größe nicht mit einem Maßstab gemessen werden kann, sozusagen ohne objektiven Maßstab subjektiv betrachtet groß ist. Hier zählt als Maßstab das Geld und somit die Summen, die für ein Kunstwerk bezahlt werden. Diese Preise sind einerseits objektiv, als das Geld der universelle Maßstab ist für alles von Wert, also auch von Kunst, so diese auf den Markt, den Kunstmarkt geschickt wird. Aber da die Preise für Kunst nur von einem sehr kleinen Marktsegment bestimmt werden, von den Menschen, die bereit sind, die fast unvorstellbaren Summen für ein Kunstwerk hinzublättern, so kann man auch nicht von objektiven Preisen sprechen, sondern muss von eben den Summen sprechen, die einer oder eine aus der sehr kleinen Menge der Superreichen bereit ist zu zahlen und somit von hochgradig subjektiven Preisen. In dieser Kunst-Käuferschaft wird dann auch der Kauf eines Werkes als ein subjektives Vermögen betrachtet, so subjektiv, dass viele der Werke kaum noch oder manche gar nicht mehr zu sehen sein werden. Also werden sie zum Privatbesitz von reichen Privatvermögenden; so viel der Vorrede.
Ein Loch ist im Eimer,
lieber Heinrich, lieber Heinrich.
Es begann im Jahr 2018, als der anonyme Maler „Banksy“ ein Bild mit dem Titel „Girl with Balloon“, das zum ersten Mal als Motiv an einer Londoner Mauer im Jahr 2002 auftauchte und seit dieser Zeit in mehreren Versionen an Wänden weltweit erschienen war und als Druck zigfach reproduziert worden ist, nun auf einer Versteigerung bei Sotheby’s unter dem Titel „Love is in the Bin“, die Liebe ist im Eimer, als Malerei im Rahmen für den Gesamtpreis von 18, 5 Millionen Pfund, inklusive Gebühren, unter den Hammer kam. Kurz nach dem letzten Fall des Hammers ertönten seltsame Piepsgeräusche und das Bild rauschte durch den dicken, verschnörkelten Goldrahmen nach unten und ein dort versteckter, unsichtbarer Schredder schnitt den unteren Teil des Bildes in schöne, gleichmäßig Streifen wie Tagliatelle oder die bekannten Streifen unter Wohnungssuchen mit Name und Telefonnummer; so weit nun ging Banksy nicht, soll ja sein wirklicher Name unbekannt bleiben. Von der Version als Mauerbild bis zur geschredderten Version einer nun unglücklichen Liebe hat das Werk des damals schon nicht ganz preiswerten Künstlers einen Wertzuwachs von 1.300 Prozent binnen drei Jahren erzielt, nicht schlecht. Die Umwidmung des Werktitels von Girl with Balloon in „Love is in the Bin“ war Teil der Kunstaktion von Banksy und brachte eben am Ort des „Eimers“, bei Sotheby’s in London, seinen Protest gegen das Geschehen am Kunstmarkt zum Ausdruck; ein edles Gemüt, der Unbekannte. Banksys Selbstverstümmelung war aber nur ein kleines, kurzes Vorspiel zu einem vollständig ekstatischen Liebestod, wie wir ihn im Jahr 2021 miterleben durften.
Die Signatur
der großen Egos.
Viele der heute ach so selbstkritischen Zeitgenossen in der Kunst klagen schon seit Langem über die Übertreibungen des Kunstmarktes und nehmen nicht selten diese Kritik in ihre Werkkonzeptionen auf. Kaum ein Werk der jüngsten Moderne mehr, ohne diesen selbst- und marktkritischen Bezug. Aber das ist alles sattsam bekannt. Wir behaupten nicht, dass die Motivation der immensen Wertsteigerung von „Love is in the Bin“ als Bild von Banksy entsprang, nun in Krypto-Kunst zu machen. Wir behaupten, dies geschah aus eben jener Liebe, die nun endgültig im Eimer ist und diese Epoche der modernen Kunst an ihrem ultimativen Größenwahn beendet. Und sie tut das durch Selbstzerstörung. Diese große Liebe war und ist eine unendlich große Selbstliebe, eine Hybris und ein Narzissmus der großen Kunst daselbst. Das spiegelt sich nun in der neuesten Form der digitalen Kunst und dreht sich berauscht um NFTs in der Kunst um sich selbst. Jeder von den oberen fünfzig will mitmachen, jeder schneller dabei sein als der andere; aber worum geht es eigentlich?