Mathias Lanfer

Die Performance der Energie

Mit diesen Händen kannst du kein technischer Zeichner sein!

Ursprünglich war das eine Option. Mathias Lanfers erste Ausbildung als technischer Zeichner war, wie nicht selten in einem jungen Leben, so falsch wie nur irgend etwas und gleichzeitig so richtig wie nichts sonst. Seine Begeisterung für Technik war damals bereits vorhanden, nur eben nicht im Sinne der Technik als bloß funktionierende Mechanik, deren innerste Funktionsweisen ein spezialisierter Zeichner damals zur Blaupause zu bringen hatte. Technik im Sinne der antiken griechischen Bestimmung als Techne dann schon eher.

Mathias Lanfer ThermoplasteIn der Ilias haben wir die Möglichkeit einer Rekonstruktion des Begriffs als das handwerkliche Können von Menschen, die in der Zeit zwischen dem 13. und dem 7. Jhd. v. Chr. als Tekton bezeichnet wurden.
Tekton kommt aus dem lateinischen architectus und geht als Kompositum zurück auf das altgriechische Wort ἀρχιτέκτων (architéktōn), welches sich wiederum zusammensetzt aus den Wörtern ἀρχή (archē), das übersetzt werden kann als der Anfang, der Ursprung, die Grundlage, das Erste und dem Wort τέκτων (téktōn) für Handwerker, Zimmermann.

Zu Zeiten Roms dann war der architectus der oberste Handwerker, gleich bedeutend mit Baumeister und Baukünstler. Also, wenn nicht ‚Bauzeichner‘, dann doch eher Baumeister, Baukünstler, wenn schon.

Lanfers plastischem Werk sieht man auch nach seinen, in all‘ den Jahren so vielfältig erreichten Ausprägungen immer eins an: das gezielte Suchen nach dem Ursprünglichen in allen plastischen ‚Objekten‘, nach dem, was Platon einst das „formgebende Prinzip“, das Ergon, genannt hatte. Techne, in diesem Sinne also Lanfers plastische Kunst, ist nur sehr unzulänglich bestimmt als handwerkliche Fähigkeit und etwas, das bloße Herstellen von etwas Überschießendes. Man irrt gewaltig, wenn man Techne allein vom Produzieren herleitet oder versucht, von daher zu verstehen. Wie wohl dieser Verständnisansatz durchaus recht reizvoll ist und auch einiges hergibt.

Mathias Lanfer Plastiken / SkulpturenEinige Videos auf seiner Webseite stellen Lanfers tiefe Verbundenheit mit seiner, ihn umgebenden Lebenswelt vor, seine Faszination und seinen Respekt vor dem handwerklichen Können der Industriearbeiter des 19. und 20. Jahrhunderts, vornehmlich der Stahlarbeiter im Ruhrgebiet, das seine Heimat in jeder Hinsicht war und wohl auch bleiben wird.
Wenn einmal flüssiger Stahl durch die eigenen Adern fließt, bist du vom Revier unsichtbar und unlösbar tätowiert.

Wo sonst könnte ein Künstler wie Mathias Lanfer auch leben, als dort, wo plastische Fabrikate das urbane Landschaftbild bestimmen, sei es in Form von Hochöfen oder Halden und deren industrielle Produktion ubiquitär ist. Nicht zufällig fiel auch die Geburt einer neuen, deutschen Fotografie von Industriebauten durch Hilla und Bernd Becher hier in die Region des Reviers.

Wir brauchen uns also nicht extra darum zu bemühen, den Produktionsvorgang seiner Kunst blumig zu beschreiben und mit detaillierter Prozesskenntnis zu belegen, wie nah wir bei derselben uns befinden, legen doch die Videos eindrucksvoll Zeugnis ab vom monumentalen Schaffen Lanfers aus der ersten Phase seiner plastischen Werkproduktion.
Man kann derartige Begriffe, die eigentlich aus der Sphäre der Ökonomie entlehnt sind, durchaus hier benutzen, da sie der Art und Weise, wie Lanfer Kunst erzeugt, einigermaßen angemessen sind. Industrielle Verfahrensweisen wie Schweißen, Schmieden, Gießen, Tauchen, Pressen, Druckluftformung gehören zu Lanfers Kunst wie zum Ruhrgebiet.

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