Bernard Lokai – Neue Bilder 2017/18 - Seite 2

Bernard Lokai Malerei 2017/18

Aus den drei bekannten Vertretern des Abstrakten Expressionismus, Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko, ging Pollock den Schritt weiter in eine Malerei, die die Aktion als einen von jeder Vorstellung befreiten Gestus erfand. Schnell traten die Protagonisten des etablierten Kunstbegriffs in den Diskurs und verurteilten im Verein mit dem allgemeinen Missfallen des Publikums Action Painting und Informel als Unkunst.

Unkunst deshalb, weil weder künstlerische Begabung noch handwerkliches Können zur Erstellung eines solchen Kunstwerkes notwendig seien und man es dann auch gleich den Affen überlassen könnte, die Aufgabe des künstlerischen Schaffens zu übernehmen. So kam auch der Schimpanse Congo in London zu Weltruhm, als seine „Abstrakten“ von über die tierische Urheberschaft ahnungslosen Kunstexperten zu hochrangigen Werken abstrakter Kunst erklärt worden waren. Als dann der Affe enttarnt war, war es mit der Kunstwürdigkeit seiner Arbeiten auch schnell vorbei; leider hat den Primaten keine anerkannte Galerie damals unter ihre Ägide in den Vertrieb genommen.

Als dann die Polemik so langsam verklang, wurde ein wenig der Kunstwürdigkeit des Action Paintings und Informel anerkannt und sah man doch vom Vorurteil befreit schon in Werken wie z. B. Shade and Darkness – the Evening of the Deluge von William Turner aus dem Jahr 1843, bei Kandinsky 1911 und schließlich bei Karl Otto Götz in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts den Beginn einer „Freien Malerei“, die in Düsseldorf zu einer regelrechten Bewegung wurde. „Von hier aus“ entfaltete sich die Freie Malerei rhizomatisch über Beuys ins soziale Kunstwerk, über die Happenings der Fluxus-Künstler in die experimentelle Kunst, wurden von Nam June Paik neue Räume der Wahrnehmungspsychologie erschlossen und über John Cage Happening und Fluxus zur Neuen Improvisationsmusik entfaltet.

Aus dem Affen Congo wurde quasi über Nacht eine Bewegung, die alle Bereiche der Kunst bis hin zur Informationstheorie und Persönlichkeitspsychologie erfasste und auch die Philosophie eines Karl Popper und die angelsächsischen Psychologen Daniel E. Berlyne und Hans Jürgen Eysenck mit einschloss. Allein dies sollte ausreichen, um diesen sog. „Unterkategorien“ Action Paintings und Informel eine angemessenere Würdigung zukommen zu lassen, als dies bis heute in der breiten Öffentlichkeit geschehen ist.

Bernard Lokai Malerei 2017/18

Der innere Kern dieser Malerei ist eine Erfahrung, die in sich selbst die Kunstwürdigkeit trägt. Sie entfaltet sich im Prozess eines Experiments, im Prozess experimenteller Kunst als Selbsterfahrung und ist nicht auf die Malerei beschränkt. Kein Wunder, dass in Zeiten der Happenings in fast allen Kunstgenres mit bewusstseinserweiternden Drogen experimentiert wurde. In der Musik, im (Tanz-) Theater, in der Literatur und der Malerei usw. Keine Kunstrichtung blieb von dieser experimentellen Erfahrung verschont. Kunst stand besonders in den Jahren zwischen 1960 und Mitte der 70er Jahre im regen Austausch mit Inseln und Milieus der alltäglichen Avantgarde im wechselseitigen Austausch. Solche Zentren gab es neben anderen in London, Paris, Düsseldorf und San Franziscos berühmten Haight Ashbury Viertel, in dem kaum ein Happening ohne Acid und andere Drogen stattfand, wo die psychodelische Musik – Acid Music – entstand und der renommierte Harvard-Professor für Psychologie Timothy Leary mit halluzinogenen Drogen, insbesondere seit 1961 mit LSD experimentierte.

Was heute als „Disruption“ firmiert, nannte der Ökonom Schumpeter schon „schöpferischen Zerstörung“ in Anlehnung an das Kommunistischen Manifest (1848) und Das Kapital von Karl Marx, wo der Begriff sinngemäß bereits auftauchte. Schöpferische bzw. kreative Zerstörung hat diese beiden Seiten, die der Destruktion und der Konstruktion, wie sie im Begriff der Dekonstruktion in der Philosophie und der Architektur später in den 70er-80er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder neu aufgegriffen wurden, stets den Elementen der Wahrnehmungspsychologie und der Selbsterfahrung verpflichtet, die eine Veränderung der bürgerlichen, personalen Identität anstreben. Das destruktive Element im Bild wurde durch die Schnittbilder von Lucio Fontana, argentinischer Avantgardekünstler, berühmt. War bei Fontana das destruktive Element kultiviert als Bestandteil des Werkes selbst, zieht diese Element in seiner radikalsten Form eine Linie bis zu Gerhard Richter, der selbst in den sechziger Jahren etwa 60 Fotogemälde mit einem Cutter zerschnitten und dann vernichtet hat; keine Skizzen, keine Studien, sondern vollendete Werke.

Daran mag man erkennen, welche Bedeutung dem Prozess und der Erfahrung der schöpferischen Zerstörung beigemessen wurde, ohne einen Prozess der Erneuerung zugleich zu ermöglichen. Zur gleichen Zeit fand daher auch eine Rückbesinnung auf die bereits im 19. Jahrhundert entstanden Gemälde und Grafiken, ohne direkt erkennbaren Bezug zum Gegenstand statt. Hunderte solcher Bilder finden sich beispielsweise im Werk des englischen Malers William Turner, des französischen Dichters und Zeichners Victor Hugo sowie des französischen Symbolisten Gustave Moreau. Vielen jener traditionellen Werke lagen aber abstrakte Vorstudien und Skizzen zugrunde.

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 3:

Bernard Lokai – Neue Bilder 2017/18 – Erfahrungen eines Malers.

Über Rieder

Oberbayer

Zeige alle Beiträge von Rieder

Ihr Kommentar

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.