Roms Plätze – Teil 3 - Seite 2

Petersplatz – Engelsburg

Und nicht wie gewohnt mehr scherzen wirst…Die Engelsburg.

 

Engelsburg, Rom Wir weichen kurz ab von unserem Konzept, die Geschichte Roms bis heute über die Geschichte ihrer Plätze zu beschreiben. Aber ohne die Engelsburg, italienisch: Castel Sant’Angelo (ursprünglich Mausoleo di Adriano), geht es einfach nicht.

Die Engelsburg ist – wie etwas weiter das Pantheon – eins der wichtigsten Bauwerke der Stadt und heute ein viel zitierter Ort für Literatur und Schauergeschichten, von Opern-Libretti und künstlerischen wie populären Inszenierungen aller Art.

Engelsburg, RomHier versammelten sich die Illuminaten im gleichnamigen Roman von Dan Brown, hier spielt das große Finale von Puccinis Toska, so das Erschießungskommando Cavaradossi auf der Plattform der Burg erschießt und Tosca sich mit dem Ausruf „O Scarpia, avanti a Dio!“ (Oh Scarpia, zu Gott!) von den Zinnen der Engelsburg hinabstürzt.

Treue bis in den Tod – wir sahen das bei den sog. Dioskuren – stand sicherlich auch Pate bei Kaiser Hadrians Entschluss, seine Ehefrau Vibia Sabina (Augusta) mit in sein Mausoleum aufzunehmen, obwohl man ihr doch einige Untreue nachgesagt hatte, so ihr ein gewisser Prätorianerpräfekt mit Namen Septicius Clarus und der Schriftsteller Sueton näher gekommen sein sollen als es schicklich war zu  jener Zeit .

Hadrian Tempel, RomGeplant und auch ursprünglich ausgeführt war die Engelsburg als Mausoleum für den römischen Kaiser Hadrian (76–138) und seine Nachfolger.

Von verschiedenen Päpsten wurde das Mausoleum aber später zur Burg umgebaut mit dem berühmten, vielbesuchten, 1277 unter Papst Nikolaus III. erbauten und etwa 800 m langen Gang (Passetto di Borgo) oder Corridoio di Borgo, der ein in die Aurelianische Mauer integrierter Verbindungsgang zwischen der Burg und dem Apostolischen Palast in der Vatikanstadt ist.

Vielfach wird fälschlicherweise die Engelsburg auch als Hadrianeum bezeichnet. Das Hadrianeum aber ist ein ursprünglich von Hadrians Nachfolger Antoninus Pius zu dessen Verehrung errichteter Tempel, dessen imposante Reste heute an der Piazza di Pietra in Rom besichtigt werden können.

Auch was das Hadrianeum anbetrifft, zeigt hier römische Geschichte ihre possenhaften Seiten. Die mit fast 1,50 Metern Durchmesser beeindruckenden korinthischen Säulen – ursprünglich 13 auf der Längs-, 8 auf der schmalen Seite – zieren heute die italienische Börse nebst Handelskammer, nachdem sie eine Zeitlang das römische Zollhaus schmückten.

So trägt die Geschichte der Verwandlung und Umnutzung des Tempels des wohl friedfertigsten römischen Kaisers, dessen expansiver und ursupatorischer Charakter nahezu unausgebildet war zum Tempel des weltumspannenden Finanzkapitals doch irgendwie römisch-heitere Züge, nicht wahr?

Kaiser Hadrian, ein weitläufiger Verwandter des Kaiser Trajan, galt als Philhellenist. Sein Äußeres wie sein Geist waren dem antiken Griechenland, besonders nach Athen gewandt. Philosophie, Dichtkunst und Archtitektur waren griechisch orientiert,  sein politischen Wirken davon beeinflußt.

So erhielt er von der römischen Oberschicht auch schnell den Beinamen Greaculus (Griechlein), was auch den ganzen Spott derer trug, die die Hinwendung an das antike Griechenland groben Unfug, lächerlich und für einen Römer einfach nur schädlich fanden. Wie wenig also die gebildetete Oberschicht sich ihrer eigenen, geschichtlichen wie kulturellen Herkunft bewußt war, sie geradezu verleugnete, mag hierin ein wenig sichtbar werden.

Als Jugendlicher hatte Hadrian wohl Kontakt mit dem stoischen Philosophen Epiktet, eventuell mit Plinius dem Jüngeren, sicher aber mit Plutarch. Sophisten gehörten zu seinem Bekanntenkreis wie etwa Polemon von Laodikeia, aber auch den Epikureern war er recht interessiert zugewandt. Alles in allem muß er als Eklektiker gegolten haben, was damals aber noch überwiegend positiv konnotierte.

Erastes Eromenos

Päderastische Werbungsszene
traditionelle Oben-Unten-Position; Attisch-schwarzfigurige Amphore mit Zeichnungen des Malers von Cambridge 47; 6. Jahrhundert v. Chr.; Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek; München. Wikipedia.

Antinoos Büste, Louvre

Antinoosbüste aus der Villa Hadriana in Tivoli, heute im Louvre (Wikipedia).

Antinoos-Osiris

Antinoos als Osiris (Wikipedia).

Seine religiöse Orientierung galt eindeutig  der weit zurückreichenden, Athener Tradition der Mysterien von Eleusis, also einer Art Wiedergeburtslehre.

Dies belegt eine Münzprägung aus jener Zeit, die auf der Vorderseite ein Abbild des Kaisers Ausgustus trägt, rückseitig die Inschrift: Hadrianus Aug(ustus) p(ater) p(atriae) ren., wobei das „ren.“ für renatus – „wiedergeboren“ – steht.

Eine Menge Aufsehen erregt und das Bild Hadrians in der Geschicht wohl am meisten geprägt hat seine Beziehung zu dem griechischen Jüngling Antinoos, der nachweislich zwischen seinem fünfzehnten Lebensjahr und seinem mysteriösem Tod mit zwanzig das Leben des Kaiser begleitete.

Seine, aus der griechischen Tradition herrührende, homoerotische Beziehung zu Antinoos, die sicherlich auch seiner Gattin nicht verborgen geblieben war und vielleicht ihre Untreue mit motivierte, ging so weit, dass Hadrin nach dem Tode des Jünglings dessen  Ansehen in einer Art kultischen Verehrung landesweit betrieb, was im Osten des Reiches, aber, überraschenderweise auch in Kern-Italien hohen Anklang fand, auch bei seinen beiden Nachfolgern Antoninus Pius und Mark Aurel (historisch die erste Nachfolgeregelung eines römischen Kaisers durch zwei Nachfolger).

Seine Liebe zu Antinoos wird auch als Erastes-Eromenos-Verhältnis bezeichnet und geht zurück auf die griechische Bedeutung der παιδεραστία paiderastia, von παῖς pais „Knabe“ und ἐραστής erastes „Liebhaber“, unseren heutigen Begriff der Päderastie, wobei im antiken Griechenland und auch unter Kaiser Hadrian nicht nur die sexuelle Komponente dieses Verhältnisse – welches auch sehr unterschiedlich ausgepägt sein konnte – betont wurde.

Ein pädagogischer Anspruch, sowie ein materieller spielten dabei auch ein gewisse Rolle, also eine Art geistiger Mentor und materieller Versorger.

Der jüngere Partner wurde Eromenos genannt, was soviel bedeutet wie „der geliebt wird“ bzw. „Geliebter“, der ältere Erastes, wobei  eine Person zeitgleich der Eromenos in einer Beziehung zu einem älteren Mann und der Erastes in einer Beziehung zu einem jüngeren Jugendlichen sein konnte. Diese Art von Beziehungen waren im antiken Griechland institutionell sanktioniert und unter der Oberschicht gang und gäbe.

Es gab Verhältnisse, bei denen die sexuelle Komponente klar dominierte, wie etwa in Aristophanes‘ Komödie: Die Wolken nachzulesen. Aber auch solche, auf sexueller Enthaltsamkeit gründende Beziehungen, wie sie in Platons Symposion durch Pausanias, einem Schüler des Sophisten Prodikos, als  Lobrede auf Eros im Sinne einer platonische Knabenliebe vorgetragen wird.

Fast vergessen, aber damals weit verbreitet, war eine Form der Sexualität, bekannt als Schenkelverkehr, die man sehr häufig auf antiken Vasenmalerein findet.

Grabkammer Engelsburg, RomBerühmt bis heute ist Hadrian auch durch die Bauwerke, die von ihm in Auftrag gegeben wurden bzw. seinen Namen tragen. U. a. die Engelsbrücke, Pons Aelius Hadrianus. Die Engelsburg, ursprünglich Mausoleum für den Kaiser,  unter dem antiken Namen Hadrianeum bekannt. Die Villa Hadrian in Tivoli (früher Tibor). Der Doppeltempel der Venus und der Roma. Das Augustus Mausoleum. Die Hadriansbibliothek. Der Hadrianswall.

In der Engelsburg fanden neben Hadrian und seiner Frau Sabina letzte Ruhe die ihm nachfolgenden Kaiser Marc Aurel und Kaiser Pius nebst seiner Gattin Faustina.
Kaiser Lucius Verus, Kaiser Commodus, Kaiser Septimius Severus und Kaiser Caracalla (Marcus Aurelius Antoninus Bassianus).

Und für die Nachwelt erhalten, vielleicht seinen Charakter und seine Persönlichkeit am prägnantesten kennzeichnend, sind die von Hadrian selbst verfassten Verse auf einer Platte am Eingang zu seiner Grabkammer (beide folgenden Bilder von Wikipedia):

ANIMULA VAGULA BLANDULA
HOSPES COMESQUE CORPORIS
QUAE NUNC ABIBIS IN LOCA
PALLIDULA RIGIDA NUDULA
NEC UT SOLES DABIS IOCOS.
Kleine Seele, schweifende, zärtliche,
Gast und Gefährtin des Leibs,
Die du nun entschwinden wirst dahin,
Wo es bleich ist, starr und bloß,
Und nicht wie gewohnt mehr scherzen wirst…


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