Taormina

Stadt am Ätna

Einstige Schönheit versunken im Touristenstrom.

Taormina, Sizilien

Taormina, SizilienTaormina, SizilienDie heutige Stadt zeigt leider nicht mehr viel von ihrer langen, reichen Geschichte. Das sichtbare Stadtbild zeigt eine Neugründung aus dem Mittelalter, nachdem die Araber die antike Stadt völlig zerstört hatten. Nicht ganz, das römische Theater ist noch einigermaßen gut erhalten; aber dazu später.

Wer mit dem Auto sich der Stadt nähert, sollte sich auskennen, über sehr gute Fahrfähigkeiten und stählerne Nerven verfügen.

Die Altstadt selbst ist verkehrsberuhigte Zone, (was nicht heißt, dass hier keine Autos fahren, z. Bsp. wenn jemand vermeintlich wichtiges heiratet, was hier jeden Tag mindestens einmal passiert) verfügt aber für Besucher über zwei große Parkhäuser: Das Parkhaus Porta Catania, im Süden gelegen und das Parkhaus Lumbi am nördlichen Ende der Stadt. Lage und Anfahrt sollte man kennen, Alternativen gibt es nicht – es sei denn, man ist wichtig und heiratet.

Taormina, SizilienTaormina, SizilienIm 2. Jahrtausend v.Chr. siedelten hier auf den Terrassen des Monte Tauro schon die Sikeler, die der Insel ihren Namen gaben. Ab dem 4. Jhd. v. Chr. war Taormina griechisch.

Dann im 3 Jhd. kamen die Römer und leider erwies sich die Bevölkerung Taorminas als nicht sonderlich geschickt in Kriegsdiplomatie, denn sie unterstützten nach Caesars Ermordung in Rom den Sextus Pompeius, der von Sizilien aus mit seiner Flotte Italien blockierte und Widerstand gegen das zweite Triumvirat, also gegen Octavian, Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus leistete.

So stand Taormina leider auf der Seite der Verlierer und Octavian, eh kein gnädiger Feingeist, was auch dem  berühmten Cicero in Rom den Kopf kostete, ließ nach seinem Sieg über Sextus Pompeius 36 v. Chr. die Bewohner der Stadt tutti completti deportieren.

Ihre Lage auf einem 200 Meter hohen, schwer zugänglichen Hügel sowie die römische Hinterlassenschaft von großen Wasserreservoires halfen Taormina lange Zeit den Angriffen und einer zweijährigen Belagerung durch die Sarazenen zu widerstehen.

Als die Angreifer dann doch triumphal einzogen und Syrakus gleichzeitig von der byzantinischen Besatzung befreit wurde blieb die kleine Stadt auf dem Hügel das übriggebliebene Zentrum der byzantinischen Herrschaft und Kultur.

902 n.Chr. fiel Taormina in arabische Hände und nach zwei brutalen Aufständen machten die Araber die Stadt dem Erdboden gleich. Taormina war praktisch menschenleer. Erst im 13. Jhd. erblühte sie wieder ein wenig unter spanischer Knute, aber weder Kriegspolitik noch dezentrale, asymetrische Kriegsführung halfen der Bevölkerung, die auch den Spaniern durch ihren hoffnungslosen aber hartnäckigen Widerstand die Lust auf Besatzung verdorben.

Eine Entwicklung wie etwa durch willfährige Anpassung an die jeweiligen Herrscher, wie dies in anderen Städten Siziliens gelang, wollte sich hier im Osten der Insel einfach nicht fügen und die einst blühende Stadt wurde mehr und mehr zu einem unbedeutenden Dorf.

Taormina, SizilienTaormina, SizilienBis der Tourismus wieder Leben in die Bude brachte. Anfangs war natürlich nichts von dem, was heute Tourismus hier bedeutet zu spüren.

Unser geheimer Rat Goethe kam, ob der Schönheit der Landschaft und des wahrlich ausgezeichneten Klimas wegen, brachte noch den Hildesheimer Portrait- und Landschaftszeichner Christoph Heinrich Kniep, der 1825 in Neapel verstarb, mit, was ja wahrlich keine Massen waren, hinterließ aber gewissermaßen mit seiner italienischen Reise und den Passagen über Taormina darin die erste erfolgreiche Werbebroschüre, die den Landschaftsmaler Otto Geleng und den Fotografen Wilhem von Gloeden in ihrem geistigen Gefolge hierher zogen.

Auch sie arbeiteten an den visuellen Claims des Hügels am Monte Tauro mit Wirkung auf die Leserschaft in Europas Norden.

Goethe und seine beiden nachgeborenen Art Directoren lockten mit schönen Bildern eine ganze Reihe weiterer Künstler an, wie zum Beispiel Oscar Wilde, D. H. Lawrence, Richard Strauss und, wo der Meister selbst einst weilte, durfte Thomas Mann natürlich auch nicht fehlen.

Derartige schwere Kunstkaliber waren im 19. Jhd. wahre Magneten für die dritte Generation an Besuchern, die zwar nicht mehr von solch elaborierter Kunstfähigkeit waren aber durchaus mit der hohen Bekanntheit von Filmstars wie Greta Garbo, Marlene Dietrich, Cary Grant, Elizabeth Taylor und viele andere aus den Hügeln von Los Angeles und San Franzisco für weiteren stetig steigenden Nachschub im 20. Jhd. sorgten.

War anfangs noch die Hauptreisezeit der Herbst und der Winter, wenn wegen des auch heute noch sehr milden Klimas die Lungen- und Knorpelgeschädigkeiten sanitäre Einrichtungen hier oben aufsuchten, verschob sie sich zunehmend auf den Sommer und die Sternchen von Film Funk und Fernsehen, die nun ihre Parties in Bars, Restaurants und Hotellobbies ausgelassen feierten.

Heute ist die Stadt fast ganzjährig von wahren Touristenströmen und Scharen von Bildungshungrigen sowie Busladungen von Tagesbesuchern überschwemmt, worauf sich natürlich auch der ortsansässige Handel mit hübschen Souvenierläden und die daselbst prosperierende Gastronomie mit Tagesgerichten in allen Preisklassen aber nur mit einer Qualität, nämlich gruselig, eingestellt hat.

Taormina, SizilienEigentlich ist Taormina ja recht schön. Ihre Lage ist fast atemberaubend, ihr inneres Stadtbild von südlichem Charmeund das römische Theater einfach spektakulär; wären da eben nur nicht diese Menschenmassen.

Man sagt, ab November sei es stiller, aber Weihnachten und spätesten Neujahr feiert hier der Jetset und kippt sich den Champagner über Blusen und Hemden; das dafür eigentlich eine Öffnung unterhalb der Nase am Kopf vorgesehen ist, hat sich bei den Dembeln einfach noch nicht herum gesprochen.

Was mich wundert ist die Ruhe und Gelassenheit, mit der die Sizilianer hier Schrecken und Abrund des Massentourismus und Jetsets begegnen, sind sie doch eher weniger bekannt als unterkühlte Seelen. Und ihre Freundlichkeit gegenüber dem Gast scheint schier grenzenlos zu sein.

In einem völlig leeren Restaurant in der Eifel jedenfalls kommt wesentlich mehr Stress auf, wenn man nach gefühlten zwei Stunden nach dem Kellner fragt, als hier in der Hauptgeschäftszeit. Und das Essen, außer Tageskarte, ist auch viel besser.

Römisches Theater, Taormina, SizilienRömisches Theater, Taormina, SizilienAbsoluter Glanzpunkt in Taormina ist das römische Theater, das, fälschlicherweise, oft Theatro Greco genannt wird.

Ursache dafür könnte sein, dass das römische Theater, zweitgrößtes nach dem von Syrakus (siehe auch hier), über einem kleineren, von den Griechen im 3. Jhd. v. Chr. erbauten Theater errichtet wurde.

Vom griechischen Vorgängerbauwerk zeugt noch, dass es in den Hang eingebettet ist, während römische Theater ansonsten stets freistehende Bauten waren und die Stufen der Tribüne teilweise in den vorhandenen Fels geschlagen sind.

Es bot Platz für etwa 5.400 Besucher, die in Römerzeiten Gladiatoren- und Tierkämpfe bejubelten, während es in griechischer Epoche zur Aufführung von Schauspielen diente.

Seine spektakuläre Lage mit Blick auf den Ätna und die Bucht von Giardini Naxos belegt, wie sehr es den Griechen auf die Lage des Theaters ankam und seine Verbindung zur griechischen Mythologie, die nicht selten den Sitz der Götter auf einem heiligen Berg oder deren Lebensraum wie etwa das Meer in die baulichen Überlegungen mit einbezog.

Geht es nur noch um das Spektakel des Blutvergießens, um die Nachstellung des Kriegsgeschehens und die Verehrung des siegreichen Feldherren und Imperators sind solche landschaft- und mythologiemotivierten Überlegungen natürlich zweitrangig.

Da aber nun mal der Ort des Theaters der griechischen Wahl folgte, kann hier oben sich der mythologisch-kulturelle Zauber voll entfalten. Es gibt nicht viele Orte in der abendländischen Welt, die von solcher kulturellen Dichte und magischer Schönheit sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Magistrate der Stadt meinen, es genüge der Ort an sich nicht allein und man deshalb hier auch noch Ausstellungen drittklassiger, zeitgenössischer Kunst ausstellen muss, um dessen Attraktivität zu erhöhen; lächerlich!

Taormina, SizilienNicht nur der Blick in Richtung Giardini Naxus, auch der auf der Rückseite Richtung Letojanni sind herrlich und am besten zur späteren Nachmittagsstunde zu genießen, wenn die untergehende Sonne alles mit ihrem südlichen, warmen Licht einhüllt und sich der feuchte Schleier zum Sfumato über die Hügel ausbreitet.

Aber nothing compares with dem Blick durch die etwa zehn Meter breite Öffung im zweigeschössigen Bühnengebäude, die den Blick auf den Ätna freigibt.

Wenn der große Vulkan sich in seiner ganzen Pracht zeigt, der Rauch die Hänge zum Meer herunterzieht und Rot und Purpur die Stimmung verwandelt, dann spürt man vielleicht noch etwas von seinem Mysterium, das bis heute anhält.

Ausbruch Ätna, Sizilien

REUTERS/Antonio Parrinello

Ausbruch des Ätna auf SizilienÄltere Sizilianer selbst nennen diesen Ort der Quelle der Inspiration für Siculer und Sicaner, Griechen und Latainer, Araber und
Normannen bis in die jüngste Zeit: a Muntagna, was soviel wie der Berg in ihrem Dialekt heißt.

In der griechischen Mythologie trat hier Zeus beim Kampf der Titanen auf und tötet die rebellierenden Riesen, indem er den Vulkan auf sie warf.

Hier hörte man einst das laute Hämmern des Herphaistos, Gott des Feuers, wo die einäugigen Zyklopen in dessen Schmiede die
Blitze des Zeus herstellten.

Hier begegnen wir der Göttin der Ernte und Fruchtbarkeit, Ceres, welche in den Wäldern von Linguaglossa verzweifelt ihre von Pluto entführte Tochter sucht.

Unten, in der Bucht von Giardani Naxos ankert das Schiff, das, nach dem vierten Buch von Papst Gregor dem Großen, die Toten hierher zum Fegefeuer auf den Gipfel des Vulkans brachte.

Oft grollt die Erde noch von den wütenden Schritten des im Kampf mit Odysseus erblindetet Riesen Polyphem oder den martyrischen Verrenkungen des schrecklichen Typhon, der nach Sizilien floh und von Zeus unter dem Ätna auf dem Rücken liegend und mit dem Kegel des Vulkans auf dem Kopf für alle Ewigkeit angekettet wurde.

Gefangen unter dem Ätna wütet und schreit Typhon seine Zorn immer wieder aus sich heraus und läßt so den Ätna erbeben, Feuer und Gestein spucken.

Unzählige weitere Legenden ranken sich um diesen Ort, Früchte der Vorstellungskraft, der Phantasie und Ängste der verschiedenen Völker, die im Verlauf der Zeit sich auf der Insel angesiedelt haben und selbst deren Bewohner heute noch nicht ohne mythologischen Beistand hier auskommen wollen, wie man beim letzten Ausbruchs des Ätna eindrucksvoll erleben durfte, als die Bewohner zu den Göttern des Berges beteten, worauf hin die Lava überraschend zum Stillstand kam und ihr Dorf Nicolosi verschonte.

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