Sicilia est insula. In das Land der ehrenwerten Gesellschaft.
Es gibt Menschen, die reisen nur wegen des Golfspiels nach Sizilien. Dafür gibt es auch gute Gründe, wie Sie im Folgenden, besonders im Beitrag: reisen und golfen Sizilien lesen können. Aber allein die Städte: Ragusa, Siracusa und Noto, um nur die bekanntesten zu nennen, nicht zu besuchen, wäre ein gewaltiger Fehler.
Ein kurzer Blick in die Geschichte Siziliens.
Das ganze Erlebnis hat nur der, der sich auch ein wenig mit der Geschichte der Insel beschäftigt hat. Denn auf Sizilien findet man Spuren der Geschichte, wie sie kaum sonst zu finden sind.
Allein schon deshalb, weil weder die Normannen, noch die Araber und die Spanier – wie sonst üblich – die Spuren der Vorgängerkulturen geschliffen haben. Und weil man sich unweigerlich schon in den ersten Stunden in Palermo fragt: wo kommt all diese Pracht der Häuser her und warum ist sie bei vielen so sehr verfallen?
Ohne eine Idee, woher der riesige Wohlstand kam und warum sich grenzenlose Armut ausbreiten konnte, wird man die Insel kaum in ihrer Besonderheit wahrnehmen können.
Die Zeit der Griechen auf Sizilien.
Die Griechen hinterließen im Tal der Tempel bei Agrigent einige ihrer schönsten Tempel. Sie betrachteten, anders als etwa die auf ihnen folgenden Römer die Insel nicht Provinz, also als eigenständiges Gebilde und bloß nicht als Produktivkraft zum Wohle Roms.
Wer heute im Amphitheater von Solunto den herrlichen Blick auf das Mittelmeer genießt, kann sich mühelos vorstellen, dass hier die griechischen Mythen von Dädalus, Ikarus, Demeter und Hades entstanden sein können. Solunto liegt an der Nordküste Siziliens, 18 km östlich von Palermo und am Osthang des 374 m hohen Berges Monte Catalfano.
Die Punier gründeten laut Thukydides im 8.–7. Jahrhundert v. Chr die Stadt als einen von drei Rückzugsorten vor den Griechen, deren Kolonien sich zu dieser Zeit über weite Teile Siziliens ausdehnten: Motye, Palermo und Solunt.
397/396 v. Chr. zerstörte Dionysios I. von Syrakus die alte archaische Stadt Solunt. In der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde sie an der heutigen Stelle aufgebaut. Die Karthager siedelten dort 307 v. Chr. Veteranen des Agathokles an. 254 v. Chr. wurde Solunt römisch.
Die Stadt hatte keinen Tempel im klassischen Stil, jedoch gab es drei kleinere Heiligtümer, die im Stil punisch sind. In einem von ihnen fand sich eine überlebensgroße Zeusstatue. Im Süden der Stadt befindet sich ein kleines Bad, das teilweise mit Mosaiken ausgestattet war. Fast alle aus dieser Zeit stammenden Exponate finden Sie in der beeindruckenden Sammlung des Archäologischen Museums in Palermo.
Einer der bekanntesten griechischen Sizilianer war wohl Archimedes. Er stammte aus Syrakus, die damals als eine der mächtigsten Städte im ganzen Mittelmeerraum galt. Der Name Archimedes steht heute noch für die Vorstellung vom antiken Griechenland als Ursprung von Kunst, Kultur und Wissenschaft wie der Name der Göttin Demeter auf Sizilien als ein Zentrum der Landwirtschaft zur Zeit der Griechen verweist.
Damals war Sizilien noch stark bewaldet. Die Landwirtschaft blühte, war aber in der Hand weniger Familien und Sizilien ein Exportland für Weizen, Oliven, Wein, Holz, Nüsse, Obst, Gemüse, Vieh und Wild.
Die Römer auf Sizilien.
Nach den etwa vierhundertfünfizig Jahren griechischer Herrschaft übernahmen die Römer für ganze eintausend Jahre die Geschicke der Insel. Sie brachten Sizilien neben Kultur und Kunst auch Kriege.
Die bekanntestesten, die Punischen Kriege zwischen den Römern und den Kathagern waren verheerend für die Insel. Am Ende zwischen den Mühlsteinen der beiden Großmächte zerrieben, war die Insel fast gänzlich abgeholzt, was auch ihre blühende Landwirtschaft nachhaltig geschädigt hatte.
Auch wenn seit geraumer Zeit gigantische Aufforstungsprogramme der EU die Wunden zu heilen versuchen, ist das Bild der Insel in weiten Teilen eine baumlose brauntönige Hügellandschaft.
Die agrarwirtschaftliche Grundstruktur des Landbesitzes von ganz weingen Familien, die selbst auch noch unter dem Einfluss von Fremdmächten – hier Rom – standen, darf auch als Grundstruktur der „ehrenwerten Gesellschaft“ angesehen werden. Diese Struktur hat sich nie wirklich geändert, egal, wer gerade auf Sizilien als Besatzungsmacht nach den Griechen auftrat. Privatwirtschaftliche, bäuerliche Strukturen mit eigenen Rechten usw. hat es nie gegeben.
So zahlreich die baulichen und kulturellen Hinterlassenschaften der antiken Griechen auf Sizilien, so rar sind derer der Römer. Berühmt sind zwei Villen gegenüber dem Normannenpalast und die Villa Romana del Casale, eine spätrömische Villa urbana in der Nähe der Stadt Piazza Armerina in der Provinz Enna auf Sizilien.
Die Villa ist ein wichtiges Denkmal des römischen Siziliens und berühmt für ihre Bodenmosaiken, von denen einige sehr gut erhalten sind, wie auch die oft als Bikini-Mädchen bezeichneten Mosaiken von sporttreibenden Mädchen aus dem 3. Jhd. vor Christus.
Die Römer betrachteten Sizilien im wesentlichen als ihre Kornkammer und Holzlieferant für ihre gewaltige Flotte und ihr Interesse an politscher Gestaltung der Insel war schlicht mickrig. Die lokale Verwaltung blieb in den alten Händen, wenigen aristokratischen Familien gehörte das Land und die nunmehr zu Sklaven gewordenen Landarbeiter. Der Transfer der griechischen Götter zu römischen hatte keine Eile, selbst Griechisch als Sprache lebte in Angelegenheiten der Götterwelt fort, während die Amtssprache längst das Latein war.
Der Einfluss der Araber und des Islam.
Der politsche Umbruch auf Sizilien begann mit der Einführung des Christentums, das 380 n.Chr. Staatsreligion wurde und mit ihr ab 391 unter ihrem Universalanspruch die Verehrung aller alten Götter untersagte.
Auch die Struktur des Grundbesitzes änderte sich schnell. Viele sizilianische Großgrundbesitzer schenkten der Kirche ihre Güter.
So entstand das sog. Patrimonium Petri. In Sizilien wurde die Kirche schnell zum größten Grundbesitzer. Das beeinflusste den weiteren Verlauf der Geschichte Siziliens sehr stark.
Der Einfluss Roms versiegte auch wegen der Plünderungen der Stadt, die Sacco di Roma, wobei sich der Gote Alarich als besonders effizient erwies und der Teilung des Römischen Reiches in West- und Ost-Rom.
Die Spaltung des Römischen Reiches ging quer durch die Insel. Mitte des 6. Jhd. fiel Sizilien an das Byzantinische Reich, also Ost-Rom mit seiner Hauptstadt Byzanz bzw. Konstantinopel, während im südlichen Teil der Insel sich der Islam ausbreitete.
Mit der Zeit drängten die Araber in Richtung Norden und das Byzantinische Reich, das Sizilien als christlich-orthodoxes Bollwerk gegen den Islam betrachtete, versuchte militärisch dagegen zu halten. Sizilien wurde also nach einer langen Zeit des Friedens, in der die Landwirtschaft wiedererblühte, von schweren Kriegen geschüttelt mit den Arabern als siegreiche Kraft. Sizilien wurde ein Emirat, also eine arabische Provinz.
Mehr als 250 Jahre stand Sizilien unter muslimischer Herrschaft. Sie brachten neue Bewässerungstechniken mit, wodurch die Landwirtschaft einen Aufschwung erlebte und den Anbau von Zitrusfrüchten, Dattelpalmen, Zucker(rohr), Mandeln und Marzipan ermöglichte.
Unter den Arabern wurde Palermo zur bedeutendsten Stadt Siziliens, aber die aristrokratischen Schichten blieben politisch, juristisch und wirtschaftlich weiterhin abhängig und schwenkten ihr Fähnchen nun gen Mekka.
Sizilien unter dem Einfluss der Normannen.
Papst Nikolaus II. hatte sich unter recht dubiosen Gründen ganz Sizilien als kirchliches Eigentum einverleibt. Die Rechtsgrundlage seien Schenkungen früherer römischer Kaiser. Bekannt wurde die Konstantinische Schenkung bei der angeblich Kaiser Konstantin d. Gr. dem Papst große Teile Mittelitaliens und die Inseln geschenkt haben soll. So entstand der Vatikanstaat, der nachweislich auf einer Fälschung gründete, die erst 1871 mit der Reduzierung des Vatikanstaates auf die noch heute bekannten Gebiete in Rom teilweise korrigiert wurde.
Papst Nikolaus II. jedenfalls wollte sein angebliches Eigentum von den Arabern zurück. Er heuerte dazu ein normannisches Söldnerheer unter Roger Guiscard an, dem er – wie damals üblich – Sizilien als Lehen versprach, wenn es ihm gelingen würde, die Araber zu besiegen und die Byzantiner nicht wieder hinein zu lassen.
1071 war Sizilien vollständig von Normannen besetzt.
Die nicht gerade aristrokratisch etablierten Söldnerführer kamen so an ein besonders großes, fruchtbares und kulturell reiches Land und oben drauf gab es noch die Aristokraten-Würde gratis dazu.
Aus dem unbekannten Roger Guiscard wurde Roger I. von Sizilien. Ab seinem Nachfolger Roger II. bekamen die normannischen Herrscher sogar den Titel: König von Sizilien.
Unter den Normannen erblühte Sizilien erneut. Weder wurden die Araber niedergemetzelt noch wurde die bestehende Bausubstanz und Infrastruktur mutwillig zerstört, im Gegenteil. Die Normann engagierten sogar arabische Baumeister für deren Ausbau.
Als wohl das bekannteste Beispiel dafür gilt nicht zu unrecht La Zisa, eine Sommerresidenz, die vom Normannen Wilhelm I. in Auftrag gegeben worden war und deren Gebäude-Technologie arabischer Herkunft ist. Die Baukunst in Sizilien blieb also stark arabisch beeinflusst, während die Kultur europäisch-christlich wurde und die Amtssprache wieder von Arabisch zu Latein wechselte.
Mit den Normannen kam das mittelalterliche Lehenswesen nach Sizilien zurück. Der Papst besaß das Land und verlieh es den Normannen. Die verliehen es aber nicht weiter, so dass noch nicht einmal ein aristokratischer Mittelbau und damit ein Regierungs- bzw. Verwaltungswissen entstand.
Wahre Könner in der Eigen- und Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte wurden die sizilianischen Normannen zu den reichsten Normannen in Europa und der Papst in Rom freute sich ebenso.
Das normannische Erfolgsmodell wurde von den Nachfahren ob ihrer mentalen Beschränktheit und wirtschaftpolitischen Ungeschicktheit nicht fortgeführt. Siziliens Blühte drohte zu verwelken.
Durch die kalkulierte Heiratsdiplomatie von Friedrich I. Barbarossa, der seinen Sohn Heinrich VI. mit Konstanze von Sizilien, einer Tochter des Normannen Roger II. verheirate, fiel Sizilien ohne Blutvergießen 1194 an ein schwäbisches Adelsgeschlecht, das dann knapp 70 Jahre auf Sizilien herrschte.
Friedrichs ausgeprägter Willen zur Macht führte ihn dazu, sich gleich mal mit dem Papst, der sich ja als Eigentümer von ganz Sizilien betrachtete, heftig anzulelegen, indem er sich zum Kaiser von Sizilien machte und behauptete, dieses Reich von Gott selbst erhalten zu haben. Der Papst exkommunizierte Friedrich darauf hin; dem war es egal.
Wie der Normanne Roger II. stand der Staufer Friedrich II. für eine strikte Zentralisierung. Er sorgte für eine Vereinheitlichung von Maßen und einer Vereinheitlichung des Rechtssystems. Er war sehr gebildet, aber leider nicht in der kritischen Auseinandersetzung mit der absolutistischen Macht – aber welcher Potentat zu jener Zeit war das – und so zerfiel nach seinem Tod all das, was der Insel nachhaltig von Vorteil hätte gereichen können.
Der Papst holte sich den Sohn des französischen Königs Ludwig VIII., Karl von Anjou, und mit seiner blutigen Hilfe Sizilien zurück. Ein neuer König von Sizilien wurde ernannt und der selbe politische Salat war erneut angerichtet.
Man datierte Ostermontag, den 31.03.1282 vor der Chiesa dello Spirito Santo, der vielleicht einzigen bauwerklich bemerkenswerten Hinterlassenschaft derer von Anjou, als in einer eh schon gespannten Stimmung gegen die Franzosen der Feldwebel Drouet mit der Vorgabe, er müsse sie nach Waffen durchsuchen, anfing, eine Frau körperlich zu belästigen, deren Ehemann das sah wie es war und den Franzosen daraufhin kuzerhand massakrierte.
Die Kameraden vom Franzmann wurden beim Versuch einzugreifen von den aufgebrachten Kirchgängern ebenfalls umgebracht und binnen kurzer Zeit, nach einigen Vergeltungsexpeditionen der Franzosen, brach ein blutiger Volksaufstand los, der als Sizilianische Vesper in die Geschichte Siziliens, ja ganz Italiens eingegangen ist.
Er machte vor nichts halt, was französisch erschien, sogar Kinder und vermeintlich von Franzosen geschwängerte Sizilianerinnen wurden umgebracht; in Palermo an diesem Ostermontag allein mehrere Tausend Menschen. Der Aufstand sprang sehr schnell auch auf benachbarte Städte wie z.B. Corleone und kurz danach auf ganz Sizilien über. Karl von Anjou unterschätzte die Geschwindigkeit und Aggressivität dieses Aufstandes völlig, der heute wahrscheinlich als ethnische Säuberung bezeichnet werden würde.
Die alten siziliansichen Aristokraten erkannten in diesem Aufstand eine einmalige Chance, ihre Ländereien wieder zu bekommen und setzten sich an dessen Spitze. Innerhalb weniger Wochen gab es auf Sizilien keine Franzosen mehr. Mit ihrem Verschwinden verlor auch der Papst seinen Einfluss.
Der Beginn der spanischen Epoche.
Kaum war die „Schlacht“ geschlagen, zeigte die Sizilianische Vesper sogleich die zentrale politische Schwachstelle Siziliens auf. Die sizilianische Elite, die es nur gewohnt war, sich wie eine Kompaßnadel zum jeweiligen, von Aussen kommenden Herrscher auszurichten, fand keine eigene Antwort auf die Frage, wie es nun weitergehen sollte. Ohne Erfahrung in Regierungsgeschäften fiel ihnen tatsächlich nichts besseres ein, als nach einem Fremdherrscher Ausschau zu halten. Den erkannten sie in dem Spanier Peter von Aragón, verheiratet mit einer Enkelin von Friedrich II. und damit legitimer Nachfolger der Normannen bzw. der Staufer.
Und so begann eine fast 600 Jahre währende, nur durch ein paar kurze Phasen der Herrschaft von Savoyen und Österreich unterbrochene spanische Herrschaft auf Sizilien.
Die spanischen Bourbonen brachten Sizilien keinen nenneswerten, wirtschaftlichen Aufschwung, was man aber ihnen selbst nicht unbedingt anlasten darf. Gerufen von den Aristokraten ließen sie sich zwar häuslich als Schutzmacht nieder, schafften dafür, was sie kriegen konnten ins Heimatland und betrachteten wie einige ihrer Vorgänger offensichtlich auch Sizilien als Provinz und militärischen Vorposten.
Aber sie ließen den Aristokraten viel freie Hand bei Ortsgründungen und in „ihren“ Dörfern durften die häufig ungebildeten und politisch wie administrativ unerfahrenen Feudalherren u.a. auch Recht sprechen, wovon sie weidlich Gebrauch machten bis hin zur Todesstrafe. Damit bereiteten sie den Boden für die ehrenwerte Gesellschaft, die später ihre Rolle übernehmen und ihre Auffassung von Recht zuende denken sollte.
Als Höhepunkt ihres bauwerklichen Schaffens gilt die Zeit des Barock und das bekannteste Werk der Bourbonen sind sicherlich die Quattro Canti – die vier Ecken – der Kreuzungspunkt der Via Toldeo – heute Corso bzw. Via Vittorio Emanuele – und der Via Maqueda in der Altstadt von Palermo. Entlang dieser beiden Straßen können Sie viele Barock-Gebäude aus spanischer Zeit bewundern. Dieser sog. Sizilianische Barock ist der wesentliche spanische Beitrag zur Kultur Siziliens.
Die Quattro Canti bietet eine zusätzliche Besonderheit: Die Fassaden der Häuser sind aufeinander abgestimmt. Jede der vier unteren Etagen ist mit einem eigenen Brunnen geschmückt, in der mittleren Etage steht je ein in Stein gehauener spanischer König und über allem schwebt in der oberen Etage die Schutzheilige des jeweiligen Stadtteils.
Willfährig wie sie waren, entwickelten sich einige wenige Aristokraten unter spanischer Herrschaft prächtig und die Besitzverteilung war ähnlich wie im Rest Europas: wenige Familien besaßen das Land als Lehen der Spanier und unter ihnen schuftete ein Heer armer, rechtloser Bauern.
Ab dem 18. Jhd. entwickelte sich auf Sizilien zudem eine ganz besondere Spielart mit den sogenannten Gabelloti als eine neue, besondere Schicht in der feudalen Pyramide der sizilianischen Gesellschaft.
Mit dem Vermögen, das die sizilianischen Aristokraten aus ihrem landwirtschaftlichen Grundbesitz herausholten, bauten sie prächtige Stadt-Villen in Palermo wie z. B. die Villa Boscogrande an der Via Tommaso Natale und der Palazzo Gangi-Valguarnera an der Piazza Croce dei Vespri im historischen Stadtviertel Kalsa in der Nähe der Galleria d’Arte Moderna, die mit dem Schloss von Donnafugata bei Ragusa uns durch Luchino Visconti in seinem Film: Der Loepard (Il Gattopardo) eindrucksvoll hinterlassen worden sind.
Dort wird eindruckvoll der Aufstieg, die Dekadenz und der Zerfall der sizilianischen Aristokratie gezeigt sowie das Aufkommen dieser neuen Schicht der Gabelotti in Diensten der Aristokraten-Familie von Salina.
Die Gabelotti waren oft ehemalige, nicht gerade gebildete Bauern, die sich als Anführer von Schutztruppen einen zweifelhaften Namen gemacht hatten, nun eingesetzt als Verwalter der aristokratischen Besitztümer.
Sie pachteten die Güter von ihren Herren, denen die Verwaltung zu anstrengend und die ausschweifenden Parties zu attraktiv waren und verpachteten Teile davon weiter an einzelne Bauern.
Da diese Pachtverträge aber nur eine Dauer von 3-6 Jahren hatten, entwickelte sich keine nachhaltige und in Europa konkurrenzfähige, sondern eine von kurzfritigem Gewinnstreben motivierte Landwirtschaft. Die verlor ihre Wettbewerbsfähigkeit dann auch recht schnell.
Der andere Faktor der Entwicklung der sizilianischen, ehrenwerten Gesellschaft war, dass die Insel sich nicht wie der Rest Europas in der Französischen Revolution und nach der Revolution 1848 entwickelte. In Europa trat eine selbstbewusste Mittelschicht den feudalen Mächten gegenüber und überwandt sie letztlich politisch.
Auf Sizilien waren die Aristokraten weder unter Papst Nikolaus II. noch unter den Arabern, den Normannen und den Spaniern Eigentümer des Landes, sondern Lehensherren. Die Mittelschicht war deren Vasall und mit den Gabelotti, die bald ein mächtiges Netzwerk bildeten, auf das die Aristokraten mehr und mehr angewiesen waren, war eine Mittelschicht gebildet worden, die wenig an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sowie an einer napoleonischen bürgerlich geprägten Geschaft interessiert war, sondern lediglich an der Übernahme der blind ausbeuterischen Macht von ihren Vorgängern.
Mit ihrem Netzwerk, welches später im sog. Brigantentum, dem spezifisch sizilianischen Bandenwesen, seine Fortsetzung fand, war alle bestens bereitet für den Beginn und Aufstieg der ehrenwerten Gesellschaft auf Sizilien, welche sich aus einem Gemenge aus Gabelotti und Resten der Aristokratie bildete und ihr blutiges Unwesen über viele Jahre auf Sizilien (und in den USA) betrieb.