Offener Brief.
Liebe Kunstschaffende,
2015 ist fast rum und ich hoffe, es war für alle ein erfülltes und erfolgreiches Jahr. Nicht jedem von euch wird es gelungen sein, den gewünschten Schritt weiter in seiner Kunst vorangekommen zu sein – per aspera ad astra, wie der Lateiner sagt.
Ich wünsche allen für 2016, dass gelingt, was ihr euch wünscht und vorgenommen habt. In jeder Hinsicht.
Eure Seiten auf OnGolf entwickeln sich weiterhin gut, wenn man die Zugriffe und die Verweildauer fokussiert. Dass die Zugriffe weiterhin ansteigen und mittlerweile für jeden von euch eine kleine, virtuelle Vernissage täglich abwerfen, liegt sicher auch daran, dass der/die Golfer/in eher höheren Alters sind. Im Durchschnitt 59 Jahre und mehr scheint nicht ganz so schädlich für die zeitgenössische Kunst und Kunst-Fotografie zu sein.
Da beim Golfer also der Stachel der Erotik sich auf ein geringeres Maß zurückgezogen haben mag, bleibt anscheinend mehr Zeit, sich sublimierteren Formen der Leidenschaft zu widmen. Und, anders als bei jüngeren Leuten, für die nicht selten ein Satz mit zwei Nebensätzen einer Romantrilogie gleichkommt, nutzen ältere Menschen die nun von den körperlichen Trieben etwas befreitere Zeit für längere Lektüren, was bei euren Kunstseiten zu einer Verweildauer von fast drei Minuten im Durchschnitt pro Besucher und Tag in 2015 geführt hat.
Drei Minuten pro Tag und Nase für die Kunst ist eine ganz schöne Hausnummer, zumal wenn man bedenkt, dass das Leseverhalten der Besucher der Kunstseiten auf OnGolf damit mehr als doppelt so hoch ist, wie das generelle Leseverhalten der Deutschen gemessen an der Zeit und am Genre Buch. Der Vergleich mit der TV Nutzung fällt natürlich für uns bescheidener aus. Der Deutsche glotzt nun mal gern TV – White Punks on Dope.
Aber wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet die in neusprachlichen Gymnasien und ein paar in Klosterschulen bzw. Internaten sozialisierten Bildungsbürger sich überhaupt für zeitgenössische Kunst interessieren? Tja, so kann man sich täuschen, Beuys.
Und dass die Besucher so häufig die Seiten unter: Exhibitions aufrufen überrascht ebenso. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die jungen Vertreter der postavantgardistischen Spaßgesellschaft dauernd auf der Suche nach einem hippen Event sind, wo man sich umsonst besaufen kann.
Aber vielleicht interessieren sich ja doch auch einige der betagten Erzeuger dieser Nieten für die Sache der Kunst, nur leider wissen wir es ja nicht, wer und wie viele sich über eine Ausstellung im Internet informieren und dann auch dort erscheinen.
Setzen wir Datenklau und Kunstinteresse gleich, dann führt mit Abstand Hans-Jörg Holubitschka. Er hat die meisten Bilderdownloads von allen. Was die Diebe damit machen, keine Ahnung. Für den Spind oder über’m Chaiselongue reicht einmal nicht das Motiv zum andern nicht die Auflösung.
Und für den Spind haben die Jungs auf OnGolf längst das Foto in der Sidebar rechts unter: weitere Sehenswürdigkeiten auf der Seite: Tipps zum Nachtleben in Prag entdeckt, das dicke zehnmal so oft downgeloaded wurde als Hans-Jörgs weniger „offenherzige“ Werke.
Näher liegt vielleicht, dass Holubitschkas Werke zur Verwendung als Postkarte an die Omi oder die Liebste heruntergeladen werden – dafür reicht die Auflösung ja auch: „Liebste Gertrud, sitze gerade vor einer Almhütte, trinke ein Glas Wein und denke an dich…“
Beachtlich ist auch der Download der Seiten: Holubitschka – Warum male ich? mit immerhin über 500 mal binnen Jahresfrist. Zum Vergleich: die Auflage von Sigmund Freuds: Die Traumdeutung von 500 Exemplaren war nach zehn Jahren noch nicht vergriffen. Es steht die Vermutung, dass zahlreiche Oberstufenarbeiten in Kunst oder Seminararbeiten in der Phil-Fak davon inspiriert worden sind; „Liebe Pauker, wenn ihr wissen wollt, wo die lieben Kleinen den Quatsch herhaben, schaut mal bei OnGolf vorbei.“
Zu den nackten Tatsachen 2015 gehört auch, dass die Seiten mit der höheren Aktualisierungsrate auch die meisten Zugriffe ausweisen, was aber nicht überrascht. Bei denen kommen also nicht nur neue Besucher vorbei, sondern auch alte wieder.
Wer will schon Seiten zu Gegenwartskunst, die gepflegt sind wie Urnengräber? Zumal die Grabbesucher es doch viel besser haben und voll auf ihre Kosten kommen mit einem Besuch im Museum, die ja wie Friedhöfe und kaum besucht allerorten rumstehen, so nicht gerade mal wieder eine Impressionisten-Fete oder Zeitgenossen-Show die Prozession der Nekrophilen anlockt: „Hier also liegt der Beuys. Da liegt der Immendorf. Ah, da liegt der Richter – ach nee, der lebt ja noch, oder?“
Im Jahr des Herrn 1968, also noch vor der Postmoderne, war es durchaus stilvoll, das Weihnachtsfest im Rahmen eines Happenings zu begehen. Man traf sich in größerer Gruppe, Farbige aus Hessen und Baden-Württemberg versorgten die Gruppe mit Dope, die die US Army aus Übersee heranschleppte. Der iranische Teppichhändler aus der Düsseldorfer Innenstadt, der später Mitglieder der Bader-Meinhoff-Bande am Breitscheider Kreuz beherbergte, garnierte den Rauchladen mit rötlichen Plättchen aus Afghanistan. Die harten Sachen kamen aus Frankfurt und ungeklärten Quellen.
Am 24.12. liefen dann Filme über den Vietnamkrieg und ausführliche Darstellungen des Geschehens in einem Schlachthof und Zerlegebetrieb in filmischen Close-Ups. Dazu performte Kraftwerk ihre ersten musikalischen Experimente und auch einige lokale Bands taten so; Disko gab es noch nicht bzw. selten.
Ein paar der bekannten und heute berühmten zeitgenössischen Künstler lagen in ihren Anfängen und voll mit Dope im abgedunkelten Raum rum, das Dauerblitzen des Stroboskops und die Schlachtszenen trieben manche vor die Tür und den Mageninhalt daselbst heraus (hier gibt es etwas zum Cream und anderen Düsseldorfer Kneipen). Magnum war das größte in Sachen Fotografie, die Kunst-Fotografie wie wir sie heute kennen, war noch nicht erfunden.
Die Kunst-Fotografen auf OnGolf, so unterschiedlich sie auch sind, performen untereinander verglichen mittlerweile ähnlich. Die Besucherzahlen ihrer Seiten liegen aber etwa 70 Prozent hinter denen der im engeren Sinne bildenden Künstler zurück, was ein wenig verwundert, ist die Kunst-Fotografie doch zur Zeit eher konsumerabel als die klassischen Schönen Künste, zumal, wenn es bei den Darstellungen nicht um Kriegs- und Schlachtszenen oder andere manifeste Grausamkeiten geht.
Vielleicht liegt das daran, dass den erfahreneren Besucher Werke mit höherer Abstraktion heutzutage weniger schrecken, vielleicht aber auch daran, dass Kunst-Fotografie, bis auf wenige Ausnahmen, noch nicht am Hipe der Schönen Künste am Sekundärmarkt mit seinen perversen Kaufsummen partizipiert.
Alma, Lokai, Lindenberg – in dieser Reihenfolge – rangieren die Zugriffe auf die Kunstseiten; bei den Exhibitions führt Katrin Roeber vor Lindenberg und Alma. Damit genug der Siegertreppchen-Mentalität, ich mag sie eh nicht. Und wie zu erwarten war, ging der Anteil der Zugriffe auf die Kunstseiten gegenüber den Reiseseiten tendenziell zurück, was auch nicht verwundert, ist der Deutsch ja nun mal Reise-Weltmeister, was sich auch auf OnGolf nun abbildet.
So viel des Rückblick fürs Erste.
Und einen glatten Rutsch aufrecht ins Neue Jahr 2016.