Görlitz

Lost to History

Grenzen sind eigentlich nie schön.

Wolfgang Pehlemann Wiesbaden Germany (Lizenz cc-by-sa V. 3.0)

Görlitz - Sachsen - DeutschlandGörlitz - Sachsen - DeutschlandGörlitz ist eine Stadt, durch die die Geschichte gezogen ist wie Gäste durch ein Hotel. Und wie die Gäste eines Hotels kann Geschichte auch sehr unterschiedlich sein, unterschiedlich die Gründe für einen Besuch, unterschiedlich die Folgen und Hinterlassenschaften.
Archäologische Funde belegen eine Besiedlung seit der späten Jungsteinzeit. Aus der Zeit der Lausitzer Kultur stammen Funde von Brandbestattungen, Kupfer- und Bronzemünzen legen Kenntnis aus der späten Römischen Kaiserzeit ab.

Nachdem während der Völkerwanderungszeit im 4. und 5. Jahrhundert die germanische Bevölkerung das Gebiet der östlichen Oberlausitz verlassen hatte, wurde die Region erst im späten 7. und 8. Jahrhundert von slawischen Gruppen wieder besiedelt. Aus dieser Zeit stammen Funde von Keramik in der heutigen Nikolaivorstadt und der östlichen Altstadt.

Nachdem Görlitz im Jahr 1303 als unabhängig Stadt mit eigener Obergerichtsbarkeit dokumentiert ist, entwickelte sich eine jüdische Gemeinde. Nachdem die Stadt 1329 wieder zurück an Böhmen gefallen war, bestätigte König Johann von Luxemburg die sich entwickelnde Ansiedlung der Juden und stattete Görlitz mit zahlreichen Rechten, insbesondere dem Münzregal, aus.
Askanier siedelten hier und hinterließen ihre Spuren mit der Gründung eines Franziskanerklosters. Eine Münze in Bautzen belegt die Anwesenheit brandenburgischer Markgrafen. In den Jahren 1377 bis 1396 war die Stadt Zentrum des Herzogtums Görlitz, das Karl IV. für seinen siebenjährigen Sohn Johann gegründet hatte. Dieser gestattete 1389 die Vertreibung der Juden aus Görlitz. Nach seinem Tod 1396 wurde das Herzogtum wieder aufgelöst.

Es folgten die Hussitenkrieg 1429, während dieser die südlichen und östlichen Vorstädte niedergebrannt wurden. Fehde um Fehde folgte im 14. und 15. Jahrhundert, besonders mit Beteiligung des böhmischen Adels. 1491 entluden sich die Spannungen zwischen Görlitz und Zittau, die bereits nach Ende der Hussitenkriege begonnen hatten, in einem Bierkrieg, bei dem es um das Recht der Zittauer ging, Bier zollfrei nach Görlitz einzuführen und zu vertreiben, was zu zahlreichen Übergriffen mit erheblichen Schäden führte.Es folgten Auseinandersetzungen um die Waidzölle, die Tuchmachereien bis hin zu den heftigen Konfliktenzwischen Zünften und Rat, die sich bis in das 16. Jahrhundert fortsetzten und in den Streit um die Reformation mündeten. Eine evangelische Kirchenordnung wurde 1539 eingeführt.

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Im 16. Jahrhundert weigerten sich die Görlitzer Truppen zu stellen für den Schmalkaldische Krieg, als Kaiser Karl der V. gegen das Bündnis protestantischer Landesfürsten und Städte unter der Führung von Kursachsen und Hessen führte, was den Görlitzern hohe Strafen und den Verlust zahlreicher Rechte und sämtlichen Landbesitzes einbrachte. Zwar konnten in den folgenden Jahren viele Besitzungen und Privilegien wieder zurückgekauft werden, die Macht der Städte in der Oberlausitzer Ständerepublik war jedoch zugunsten des Landesherrn und der großen Adelsgeschlechter gebrochen.

Kein Krieg in Europa verschonte die Stadt. Nicht der siebenjährige, der dreißigjährig, der hundertjährige Krieg Und auch die Pest und die Cholera. Nur der Zweite, der grausamste aller bisherigen Kriege verschonte die Stadt, die bis zum Ende nicht bombadiert worden ist. Und so ist besitzt Görlitz heute eine der am besten erhaltenen Altstädte Mitteleuropas. Wenig bis nichts ist von der konfliktreichen Geschichte in der Stadt unmittelbar noch sichtbar, gleichsam von der Altstadt mit ihren profanen als auch sakralen Bauwerken aus allen Stilepochen zwischen Spätgotik und Jugendstil überwuchert.

Historiker müssen schon graben wie Archäologen, um die Geschichte der Stadt freizulegen. Was an der Oberfläche verblieb, ist der Wunsch und das Bedürfnis nach den modernen Wissenschaften. Man wundert sich nicht, aber bei dieser Geschichte drängen sich geradezu die Wissenschaften auf, um einen Schlusstrich mit der Stadtgeschichte zu ziehen. Bereits im Jahr 1779 wurde die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften gegründet, die später zur größten bürgerlichen Gesellschaft ihrer Art in Deutschland heranwuchs.

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Heute findet man hier wissenschaftliche Institute von Weltrang wie etwa die Senkenber Gesellschaft für Naturforschung, das Leibniz-Institut für Raumentwicklung und die Technische Universität Dresden, die beide interdisziplinäre Zentrem hier betreiben. Das Fraunhofer Institut, ein Helmholtz-Institut und einige andere mehr forschen und lehren in Görlitz.
Und wie ein Lehrbeitrag zur Geschichtsbewältigung ist Görlitz zu einem weltweit beachteten Drehort für Filme geworden. Seine unversehrte Altstadt und die geschlossene Gründerzeitbebauung dient als Kulisse für so manchen Historien- und Schlachtenschinken mit Starbesetzung aus den USA und Europa, und von großen Literaturverfilmungen, die Preise auf den berühmten Filmfestspielen gesammelt haben.
Nur die eigene Geschichte blieb bei allem verloren, die Suche nach der verlorenen Zeit bislang aufgegeben.

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