Roms Plätze – Teil 2 - Seite 3

Von der Piazza Venezia bis zur Piazza della Repubblica

Piazza Colonna

Triumphsaeule-Marc-Aurel, RomHier schlägt das politische Herz Italiens. Hier befindet sich der Sitz des  italienischen Ministerpräsidenten im Palazzo Chigi.

Unweit davon tagt das italienische Parlament im Palazzo Montecitorio – und wie der Römer nun ma so ist, kann er es nicht lassen, seine politische Repräsentation zu verhöhnen; und so nennt er den Montecitorio wegen seiner an einen Ozeandampfer erinnernden Größe und der damit verbundenen Seegang-Assoziationen spöttisch il Transatlantico.

Und es wäre nicht das politische Rom, wenn man nicht hier an exponierter Stelle eine monumentale Assoziation mit der Antike hergestellt hätte, der Triumphsäule des Kaisers Marc Aurel.

Die „Colonna“ ist nicht ohne Einfluß der Trajanssäule am Forum Romanum und dem der Legende nach recht friedfertigen „Philosophen-Kaiser“ Marc Aurel gewidmet. Ihr Relief zeigt aber eher weniger philosophische Gedanken als Szenen grausamster Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung während der Markomannenkriege im 2. Jhd. v. Chr., die für die römischen Legionen äußerst verlustreich verliefen.

So wird das Relief oft als Projektion  bzw. Kompensation der eigenen Verluste gedeutet, was aber umstritten ist. Die drastische, expressive Symbolsprache des Reliefs kontrasiert komplett mit der kühlen, militärisch durchorganisierten Symbolik der Trajanssäule, wie auch andere Elemente sich weit von dieser unterscheiden.

Piazza del Quirinale

Palazzo Quirinale, Quirinalspalst, Rom

Der Qurinalspalast ist Sitz des Italienischen Staatspräsidenten. Seinen Namen hat er vom Collis Quirinalis, dem Qurinal, einem der sieben Hügel Roms. Sommersitz der Päpste, Residenz der italienischen Könige, Sitz vieler ausländischer Botschaften bei Vatikan, die Liste der politischen Bedeutung nach der Zeit der Antike ist lang. Viel aus dieser Zeit hat sich nicht erhalten, die Abbildung der Dioskuren, vier Brunnen, die die Flussgötter Tiber und Arno sowie die Göttinnen Juno und Diana darstellen, die Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri, die ist aus dem Mittelteil der Thermen des Diokletian entstand und von
Michelangelo 1563 begonnen wurde, sowie die von Gian Lorenzo Bernini im Jahre 1646 erstellte Szene der Verzückung der hl. Theresa von Ávila in der Kirche Santa Maria della Vittoria sind einige überaus beachtenswerte und wertvolle Ausnahmen.

Piazza della Repubblica

Piazza della Repubblica, Rom
Exedra im Pertersdom, RomEin in Architektur und Ausmaßen monumentaler Platz, dessen Mitte der Najaden-Brunnen ziert mit der Darstellung des Menschen als Sieger im Kampf gegen die widrigen Naturkräfte, allegorisiert durch die mit Meerestieren spielenden Wassernymphen.

Nicht selten hört man heute noch den füherer Namen des Platzes: Piazza dell’Esedra, der von der Exedra der Diokletiansthermen her stammt.

Die monumentalen, halbkreisförmigen, säulenbestückten Gebäude, die den Platz umgeben, sind nach der Exedra konzipiert. Ihr antikes griechisches Vorbild, die ἐξέδρα-exhédra, war eine, oft mit Säulen versehen, offene, aber überdachte Nische oder Raum, die als eine Art „Separee“ für private Gespräche, gebildete Vorlesungen, Vorträge und Diskussionen im kleinen Kreis diente.

Viele römische Villen haben diese antike Idee der Exedra in ihren innenarchitektonischen Grundrissen und Konzepten wieder aufgenommen und dort in Form von Konservationszimmer bzw. Besprechungszimmer realisiert; zum Nachdenken anregt die Idee der Exedra, die sehr oft in der Gestaltung des Bades realisiert wurde.
Diokletiona-Thermen, RomDie Thermen des Diokletian (296-306 v. Chr.) gehören neben den Caracalla- Thermen zu den größten Roms und hatten selbst für heutige Verhältnisse gigantische Ausmaße von 370 x 360 Metern.

Heute fristen sie eine etwas bescheidene Existenz, zumal ihre steinerne Substanz über lange Zeit als Steinbruch und Material für andere Bauten benutzt worden ist.

Aber Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri, die nach den Plänen von Michelangelo gebaut worden ist, befindet sich die mit eine Länge von 90 m, einer Breite von 27 m und Höhe von 30 m imposante Halle des einstigen Frigidarium, dem Abkühlungsraum der Thermen, eingebaut in ein Kirchenschiff.

Note: auf dem Platz steht das Hotel Exedra, das besonders gut geeignet ist für Durchreisende, da es in „Wurfdistanz“ zum Hauptbahnhof, Stazione Termini, liegt.

Die Verzückung der Heiligen Theresa und ihre psychopathologischen Folgen.

Santa_Maria_della_Vittoria

Santa Maria della Vittoria – 8, Wikipedia, CC BY-SA 2.5

 Verzückung der Heiligen Theresa, Rom

Dnalor 01, Wikipedia, CC-BY-SA 3.0

Ganz in der Nähe zu den Thermen und dem Piazza della Repubblica steht die Kirche Santa Maria della Vittoria mit Berninis Ekstase der Hl. Theresa, die man unbedingt besuchen sollte – auch wenn man nicht gerade in der Gegend weilt.

Die Verzückung – auch die Entrückung findet man gelegentlich – der Heiligen Theresa zeigt sie in einer Art Viision, bei der ihr ein Engel mit dem Pfeil der göttlichen Liebe das Herz durchbohrt. So weit so gut.

Aber dieses Werk Berninis wurde ab etwa der Mitte des 19. Jhds. zu einem Mittelpunkt kunsthistorischer Betrachtungen, die nicht wenig von der Sexualforschung bzw. psychiatrischen Fachwissenschaft beeinflußt war und gerade bei diesem Werk zu beachtlichen sexuellen Deutungen führte.

So sieht man in der Theresa eine in lustvoller Ohnmacht verzückt ihre Gleider streckende Figur (Friedrich Müller), der ein lüsterner Engel sich sexuell nähert. Zum wahren Gipfelstürmer einer sexuellen Deutungsart dieses Kunstwerkes macht sich Richard von Krafft-Ebing, Sexualforscher und Gerichtsmediziner, in seiner Psychopathie der Sexualität, indem er die enge Verwandschaft von Religion, Wollust und Grausamkeit postuliert, die etwa zeitgleich mit der Ausdifferenzierung der medizinisch-psychiatrischen Wissenschaft den Begriff der Algolagnie, besser bekannt als Sadomasochismus, erfindet.

Algolagnie, vom griechischen algos „Schmerz“ und lagneia „Wollust“ wird als Teil des Formenkreises der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen unter der Schlüsselnummer F65.5 aufgeführt und heute eher unter der Sammelbezeichnung BDSM „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“ – subsumiert. Diese Gruppe von sexuellen Präferenzen zielt unter anderem auf Dominanz und Unterwerfung, spielerische Bestrafung, und Lustschmerz  und zeigt sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen. So weit die Wissenschaft.

Krafft-Ebing und Schrenk-Notzing dürfern als die Väter der „Sadomasochismus-Forschung“ vor der Psychoanalyse aufgerufen werden. Man mag der katholischen Kirche in ihrer nicht immer ganz gesunden und wenig lustbetonten Sexualmoral ja einiges vorwerfen, in wie weit aber Berninis Statue der entzückten Theresa als quasi belastbares Beweismaterial für sadomasochistische Visionen und Phantasien herhalten darf, oder vielleicht gar umgekehrt sich als Projektionsfläche solcherart mental-psychologischer Verfasungen der Psychopathologen, Psychoanalytiker und Kunsthistoriker verdankt, darf diskutiert werden.

Unbeschadet aber von all den wissenschaftlichen Tiefenforschungen könnten Blick und  Gedanken auch auf die Statue selbst gehen. Dann sähe man darin zuallererst einmal die schier unnachahmliche Größe von Berninis Bildhauer-Kunst, die kaum der von Michelangelo nachsteht, vergleicht man nur die virtuose Bearbeitung des Carrara-Mamor der Pieta im Petersdom mit der der Theresa. Und das wäre allein schon einen Besuch und weiterer werkimmanenter Gedanken wert.

 

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