Stadt der Künste und Intrigen.
Wer die Stadt in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts schon besuchte und sie mit heute vergleicht, wird wohl nicht umhinkommen, festzustellen, beide Besuche haben wenig gemeinsam. Es gab weder B&B noch endlose Wartenschlangen vor den Uffizien. Der Palazzo Pitti war geöffnet und jederzeit (fast) zugänglich, mittags ruhten hier ein paar Touristen neben Florentinerinnen und Florentiener aller Gehalts- und bildungsklassen. Der Blick von den Gärten des Palazzos war atemberaubend schön, besonders in den späten Nachmittagsstunden inmitten der ganzen Genießer, die die blaue Stunde mit einem Wein aus der Umgebung hier verbrachten.
Der nackte Bacchus ritt ungestört die Schildkröte, bevor man die Satute nach hinten in den Boboli-Garten verbrachte, eher versteckte, weil so viel des Lebensgenusses dann doch nicht zumutbar wäre, immerhin kommen ja auch prüde US-Amerikaner in die Anlage, die hinter dem Palazzo Pitti liegt, einst Hauptsitz der Medici als Großherzöge der Toskana und einer der bekanntesten italienischen Gärten des 16. Jahrhunderts.
Im Palazzo Pitti befinden sich zahlreiche Museen und Galerien: die Galleria Palatina und die königlichen Gemächer, die Galerie für Moderne Kunst, die Kostümgalerie und das Silbermuseum, das Porzellanmuseum und der Boboli-Garten (ein wahres Museum unter freiem Himmel).
Die Hauptachse des Gartens, die auf die rückwärtige Fassade des Palazzos gerichtet ist, steigt von einem tiefgelegenen Amphitheater – das in seiner Form an ein halbes klassisches Hippodrom erinnert – auf den Bobolihügel hinauf. In der Mitte des Amphitheaters steht ein ägyptischer Obelisk, der von der Villa Medici in Rom hierher gebracht wurde.
Diese Hauptachse endet am Neptun-Brunnen (den die respektlosen Florentiner „Gabelbrunnen“ nennen) und einer Skulptur von Stoldo Lorenzi.
Eine lange zweite Achse im rechten Winkel zur Hauptachse führt durch eine Reihe von Terrassen und Wasserspielen. Mitgewirkt am Garten hat u.a. der berühmte Giorgio Vasari, Architekt, Hofmaler der Medici und Biograph vieler berühmter, italienischer Künstler. Er schuf als Architekt und Maler beachtliche Werke, ist heute aber vor allem als „der erste Kunsthistoriker“ und „Vater der Kunstgeschichte“ bekannt.
Der Palazzo Pitti ist ein Renaissance-Palast im Florentiner Stadtteil Oltrarno. Das in seinem Grundbestand Filippo Brunelleschi zugeschriebene Gebäude wurde ab 1458 für den Kaufmann Luca Pitti erbaut. Im Jahre 1565 baute Giorgio Vasari einen langen Korridor über den Ponte Vecchio, der den Palazzo Pitti über die Kirche Santa Felicità, die Brücke Ponte Vecchio und die Uffizien mit dem Palazzo Vecchio auf der anderen Seite des Arno verbindet. So konnten die Palastbewohner vom gemeinen Volk unbehelligt zwischen Wohnsitz und Rathaus hin- und herpendeln.
König Viktor Emanuel III. trat ihn 1919 an den italienischen Staat ab – seitdem sind der Palazzo Pitti und seine Gemäldesammlungen öffentlich zugänglich, darunter die Galleria Palatina der Medici mit Werken von Tizian, Giorgione, Raffael und Rubens und die Galleria d’arte moderna mit Werken vom Klassizismus bis zum Beginn des italienischen Futurismus an der Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts.
Cimabue und Giotto, die „Väter“ der italienischen Maler lebten hier in der Stadt. Brunelleschi, Donatello und Masaccio verbracht wie der berühmteste aller, Leonardo da Vinci, die meiste Zeit ihres Lebens hier.
In der dritten Etage des Gebäudes, Uffizien genannt, ist heute die Gemäldesammlung Galleria degli Uffizi untergebracht, die ihren Schwerpunkt auf Werke der italienischen Renaissance legt. Darüber hinaus umfasst die Sammlung Gemälde aus dem 13.–18. Jahrhundert und viele Werke flämischer, niederländischer, französischer und deutscher Künstler dieser Zeit. Diese Etage ist wohl das Beste, Geschlossenste an Werken einer ganzen Epoche, was die Kunst Europas der Welt hinterlassen hat.
Botticelli, da Vinci, Michelangelo, Hans Holbei d. J. Raffael, Tizian, Rembrand, Caravaggio, Jacobo da Empoli, Jean Siméon Chardin, Jaques-Louis David, Luino, Vigée-Lebrun – die Liste ist schier endlos. Kaum vorstellbar heute, vor fünfzig Jahren ging man einfach nach der Mittagszeit hinein, wurde kaum kontrolliert, und fand jede Zeit der Welt, sich mit den Weken (fast) ungestört auseinanderzusetzen. Und nach dem Besuch der Uffizien nahm man das erste, in einer der Seitenstraßen versteckte, lauschige Cafés, um das Gesehene erstaunt zu diskutieren.
Man setzte sich in den frühen Abendstunden vielleicht auf die Stufen der Cattedrale Metropolitana di Santa Maria del Fiore, genoss das Zwielicht des späten Nachmittags und die ausstrahlende Würde und Schönheit der alten Kathedrale. Und schaute dabei fasziniert gegenüber auf das Baptisterium San Giovanni, die Taufkirche des Doms, oder spazierte durch die weniger frequentierten Stadtteile, nahm an einer Weinprobe oder Verköstigung teil, bevor man die italienische Küche zu Abend genoss, die hier in Florenz ganz besonders und ausgezeichnet war, auch für den kleinen Geldbeutel.
Was gäbe es nicht alles zu erzählen von den zahllosen Eindrücken, die einem Florenz Tag für Tag näher brachten. Allein für das Baptistorium und den Dom reichen Tage nicht aus, um der Seele der Stadt näherzukommen. Und was gäbe es nicht zu erzählen über die Zeit des zwischen dem 12. und dem 18. Jahrhundert, als die Stadt autonom wurde es zu erbitterten Streitereien zwischen den kaisertreuen Ghibellinen und den später siegreichen Anhängern des Papstes, den Guelfen kam?
Im 14. und 15. Jahrhundert blühte Florenz auf und setzte Maßstäbe in der europäischen Kunst und Kultur. Zeitgleich wurde Florenz zum Handels- und Finanzzentrum. Die reiche Familie der Medici stieg im 15. und 16. Jahrhundert zu einer Großmacht auf und prägte die Stadt wie keine andere Familie. Aber die kulturelle Bedeutung von Florenz schwand bereits im 17. Jahrhundert wieder. Die Medici, die lange Zeit die Stadt geprägt hatten, starben aus.
Mit ihrem Nachfolger, Franz I. Stephan, dem Ehemann von Maria Theresia, als Franz II. Großherzog der Toskana (1737–1765), gelangte Florenz in den Besitz der Habsburger. Was dann kam, hat der Stadt nicht gut getan. Zwischen den Habsburgern und französischen Revolutionstruppen wogt ein jahrelanger, grausamer Streit und Floren wurde ein Vasallenstaat des napoleonischen Frankreich. Von Mai 1808 bis zum Ersten Pariser Frieden (30./31. Mai 1814) war das Gebiet, weiterhin mit der Hauptstadt Florenz, als Département Arno von Frankreich annektiert.
Diese Stadt, für die Künste gemacht, konnte die Kriege und die Macht nicht fernhalten, wollte dies auch nicht, und das war ihr Schicksal. Und davon wehte damals noch ein Hauch der Geschichte durch die Gassen der historischen Altstadt, der heute längst verweht ist. Von der einstigen kulturellen Vielfalt geblieben sind Bilder und Skulpturen wie Ausstellungsstücke einer Galerie, zu der die Stadt selbst geworden ist, und die von Millionen von Gästen aus aller Welt alljährlich besucht wird. Was die Besucher dort glauben zu finden, ist längst ausgewandert, vom Tourismus verschluckt wie Jona im „Alten Testament“, der von Gott des Auftrag erhalten hat, den sündigen Bewohnern der Stadt Ninive ein Strafgericht anzukündigen. Als Jona sich vor der Aufgabe drücken will, entfacht Gott einen Sturm. Jonas Schiff gerät in Seenot. Er wird über Bord geschleudert, und der „große Fisch“ verschluckt ihn. In dessen Bauch plagt ihn das Gewissen, er betet zu Gott und wird nach drei Tagen wieder an Land gespien. Wer betet heute um Florenz, die Stadt, die im Bauche des großen Wals Tourismus lebt?
Zentrum der historischen Altstadt ist die Piazza della Signoria. Hier sandten die Florentiner Dante 1301 ins Exil, hier verbrannten sie 1497 auf Aufforderung des Girolamo Savonarola im „Fegefeuer der Eitelkeiten“ Schmuck, Kosmetika, Spiegel, Musikinstrumente und Ähnliches und im darauffolgenden Jahr nach päpstlichem Urteil Savonarola selbst.
Auf dem Platz befand sich ursprünglich Michelangelos Statue David an der Frontseite des Palazzo Vecchio. Die Statue wurde jedoch mittlerweile durch eine Kopie ersetzt, das Original befindet sich in der Accademia di Belle Arti.
Auf dem Platz befindet sich zudem Bartolomeo Ammanatis marmorner Neptunbrunnen. Er bildet den Endpunkt eines noch funktionsfähigen Aquädukts aus der Antike. Außer dem Palazzo Vecchio liegt die Loggia dei Lanzi an diesem wichtigsten Platz der Stadt.