Tobago: Der Westen - Seite 2

Regenwald bis an die Küste.

Weiter an der Westseite von Tobago der Küste Richtung Norden entlang auf sehr gut zu befahrender Strasse immer weiter in das Gebiet des Regenwaldes, der die Drift vom venezuelanischen Festland unbeschadet überstanden hat und Tobago diese, unter allen karibischen Inseln einzigartige Flora und Fauna verleiht.

Tobago, Karibik

Gleich nach Arnos Vale wird die Landschaft grandios. Sie hebt sich aus sich selbst heraus, gleichsam als begänne sie zu atmen. Erst leichter, dann immer schwerer die teils spektakuläre, kurveneiche Strasse entlang. Man spürt förmlich den Atem der Karibik, nicht in seiner modernen, sondern in einer von üppiger Vegeation gepägten Umgebung näherkommen.

Und wenn die Straße oberhalb von Castara Bay wieder nah an die Küstenlinie findet stockt einem der Atem endgültig. Die Flora hat sich mittlerweile auch schon stark verändert, der Regenwald kündet sich an. Castara ist Dread Lock Terrain, ein paar Hippie-ähnliche Figuren sind auch dort und eine Handvoll Aussteiger aus aller Herren Länder, was bei der dünnen Besiedelung gleich auffällt.

Sie alle dort leben eine Gemeinschaft, die den Besucher nicht abweisend entgegentritt, die aber auch von keiner Aussicht auf Wohlstand durch touristische Besucherströme angetan zu sein scheint. Wenn man will, bekommt man Essen, Trinken, Unterkunft und auch einen Joint, aber aufdringlich damit ist hier niemand.

Englishman’s Bay

Nicht weit, ein paar Kilometer von Castara entfernt nur, Englishman’s Bay. Hier scheint die Welt zuende, der Strand der Gestrandeten, der Meuterer von der Bounty, die Piratenbucht. Weit gefehlt; das kommt noch.

Erwarten Sie keinen Luxus, nicht einmal das Mindestmaß an Annehmlichkeiten an einer der vielleicht schönsten Buchten der Karibik. Es gibt Tee und Kaffee (jedenfalls heißt das so, was Sie bekommen), kleine creolische Sattmacher, vielleicht.

Ein paar Raster‘ leben in dem Bambus- und Tropenwaldausläufer, verkaufen unaufdringlich ihre verzierten Calebassen, Bambusarbeiten und etwas aus Leder. Ganz vorne am Strand gibt es auch ein paar Liegen, die aber auch schon bessere Zeiten gesehen haben und die sowieso kaum einer nimmt.

Englishman’s Bay

httimpressenglishmen1Englishman’s Bay – warum hat man diese Schönheit nur so genannt – ist von anderem Charme. Eher einsam, schlicht. Natural wie alles sonst auch ist Eula’s Bar: Ein paar Tische und Bänke in der Nähe der kleinen Hütte, wo man auch etwas zu trinken und zu essen bekommt.

Bescheiden die Auswahl, aber ausgesprochen freundlich und relaxt die Menschen. Eine Umkleidekabine aus dem selben Holz wie das Plumpsklo: Luftiger Bambus.

Tief atmet hier das Meer. Vom Strand aus sehen Sie, wie das Meer sich stetig im Takt um ein paar Meter hebt und senkt, die Farben des Wassers sich jedesmal verändern und mit der Gischt der größten Welle, das Universum wieder von neuem aus abgrundtiefem Blau über türkisgrün bis hin zum brodelnden Weiß seinen Atem einzieht.

Hier, wo man am Puls des Weltalls fühlt, wenn zwischen den nachmittäglichen Brechern und deren sanftem Rollen im Spiel der abenddämmernden Rot-, Gelb- und Blauspektren das Universum gleichsam die Pforte zum Schlaf durchschreitet; hier umfaßt die Natur alle am Strand.

Hier wird jeder, der bis in die Nachmittagsstunden hinein an diesem Ort verbracht hat, zu einem Teil des Universums, indem er staunend vor dessen Schönheit steht und selten das Schauspiel vor den letzten Sonnenstrahlen des Tages verlässt.

Es ist erstaunlich – oder vielleicht nicht – aber auf touristische Errungenschaften und Verhaltensweisen treffen Sie hier unten am Strand selten. Es paßt einfach nicht dorthin. Und das ist gut und hoffentlich noch lange so.

Sehr schwer zu finden, aber aller Mühe wert: Die Little Englishman’s Bay, eine ca. 200 Meter lange, recht verschwiegene Bucht noch vor der Englishman’s Bay. Sehr idyllisch gelegen. Einheimische in Eula’s Bar nach dem Weg fragen.

Bloody Bay

httimpressenglishmen2Verlassen Sie Englishman’s Bay in Richtung Bloody Bay. Wahrscheinlich werden Sie erst jetzt gewahr, daß Sie sich am Fuße des Regenwaldes befanden, der bis hinunter zur Englishman’s Bay reicht.

Es wird einsamer, abseits der Hauptstraße; wenn das noch geht. Manchmal, hinter Bäumen verborgen, stehen Kinder und schmeißen mit Steinen nach ihnen. Und grinsen, wenn sie den Wagen getroffen haben; was sollen sie auch sonst machen?

Aber das hört auch bald auf. Bloody Bay ist erreicht und da ist Nichts, richtig: das Nichts.

Hat eben noch das Universum mit seiner ganzen Lebenskraft Sie gefesselt, stehen Sie nun regungslos und ein wenig verängstigt vor dieser unheimlichen Stille und Leere an einem Ort, der ganz und gar nicht in diese Gegend paßt.

Nicht ein Vogel ist zu hören. Hoch, sehr hoch oben sieht man die Fregattvögel, die hier überall zu sehen sind. Nur hier, an Bloody Bay, sehen sie aus wie Todesvögel, Boten einer anderen Welt, eines anderen Reiches des Jenseits, dessen Tor einst viele Seeleute genau an diesem Ort durchschritten haben.

Wie ein Spuk liegt das Ereignis auf dieser unbebauten, unbewohnten Bucht, das sich a.d. 1666 hier zugetragen hat. Der englische Admiral Sir John Harmann, dieser seegängige, geadelte britische Massenkiller, zufällig (?) gleichnamig mit einem späteren, dem jedoch die majestetische Ehre eines Titel seiner Queen nicht zuteil wurde, hatte in einer Seeschlacht mit einer französisch-holländischen Flotte auf die Mühen der Gefangennahme seiner feindlichen Mitmenschen so sehr verzichtet, daß das Meer und der Strand sich vom Blute der neuerdings verbündeten europäischen Nachbarn rot färbte.

Und so scheint es noch heute, das Meer an diesem blutigen Ort, rot im Abendlicht und die Freundschaft zwischen Briten und Franzosen, die nicht wirklich genesen will von all‘ den Schicksalen, die auch an dieser Küste klagend in die nächtliche Stille rufen. Hier sollten sie sich dereinst versöhnen, die beiden streitbaren Partein, um der Einheit Europas willen und um des Friedens willen in diesem Teil der Karibik.

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