Schwarz-weißer Stadtbezirk.
Gefürchtet, begehrt, verkannt. Das ist Harlem. Der Stadtteil der Gegensätze, der vielleicht lebendigste Stadtteil, der Stadtteil, in dem die Musik zu Hause ist. Die Gegensätze treten kaum anschaulicher zutage, als auf der Kreuzung zwischen 96th Street und Park Avenue. Da sieht man teure, teils sündhaft teure Wolkenkratzer auf der südlichen Seite und auf der nördlichen billige, teils heruntergekommene Sozialwohnungen.
Bezeichnung | Kategorie | Adresse | Beschreibung | Link |
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Harlem, da denkt man an Jazz, Malcom X, Bürgerrechtsbewegung. Was aber wenige erinnern ist, das das „black“ Harlem eine Idee von Immobilien-Fehlspekulationen war. Ursprünglich holländisch, war Harlem Farmgebiet.
Richtig, Harlem bestand aus großen Farmen, die überwiegend auf den Hügeln lagen mit bester Aussicht zum East River. Die Hochbahn Ende des 19. Jahrhunderts veränderte den Stadtteil, der überwiegend von reichen Bewohnern geprägt war und von einem entsprechenden Immobilien-Boom (man erinnert sich doch gleich schlagartig an 2008) beherrscht wurde.
Man spielte Polo auf den Polo-Grounds in Harlem, errichtete eine Oper und das seinerzeit teuerste Hotel der ganzen Stadt New York auf Harlems Grund. Anfang der 20. Jahrhunderts zählten deutsche Juden und Juden aus Osteuropa vorübergehend und für kurze Zeit zu den größten Populationen.
Dann kam der konjunkturelle Einbruch in den USA, die schönen neuen Wohnhäuser wurden praktisch über Nacht unverkäuflich, unvermietbar und manche cleveren Immobilienmakler erkannten in der florierenden Rassendiskriminierung in den Südstaaten der USA ihre Chance. In den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts flohen viele Afroamerikaner im Rahmen der Great Migration in die Industriestädte des Nordens und brauchten Wohnungen.
Man fand sie auch in Harlems großen Leerständen und vermietet sie den ankommenden Afroamerikanern. In den nächsten zwei Jahrzehnten verließen die Weißen das Viertel um den Polo-Ground. Gab es z. B. 1917 noch ungefähr 150 000 Juden, war deren Anzahl 1930 auf unter drei Prozent geschrumpft.
Das heutige East bzw. Spanish Harlem wurde weitgehend italienisch. Heute ist auch die italienische Bevölkerung verschwunden und an deren Stelle eine Population aus Puertoricanern getreten. Heute findet wieder ein neuer Wandel statt. New Yorks „black ghetto“ erzeugt große Begehrlichkeiten bei der weißen Mittelschicht der Stadt. Je unerschwinglicher die Mietpreise in den anderen Stadtteilen Manhattans werden, um so mehr ziehen die Baumaschinen in Harlems Straßen.
Und wieder stehen die Immobilienmakler an forderster Front und betreiben den Wandel Harlems, der aktuell fast überall sichtbar wird. War Harlem vor hundert Jahren „black“, so zählt die weiße Bevölkerung mittlerweile über 65 Prozent. Bill Clinton hat sein Büro in Harlem. Viele nutzen die neue Chance zu neuen Reichtümern, indem sie sehr erfolgreich Harlems geglättete Seele verkaufen.
Washington Height im Norden war einst die Seele von New York City. Dort schlugen sich Engländer und Amerikaner, residierte die Jazz Aristokratie der Welt, hatte einst George Washington sein Hauptquartier und später reiche New Yorker ihre edlen Wochendhäuser. Pulsierendes Herz von Harlem war und ist die 125th Street mit den berühmten Apollo Theater (Abb. unten Wikipedia).
Hier schlägt das musikalische Herz, ist die Geburtsstätte von unzähligen Größen des Musikszene wie etwa Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Billie Holiday. Hier traten Duke Ellington, Louis Armstrong und Count Basie auftraten. Später sah man Diana Ross, die Jackson 5 und die Supremes, Marvin Gaye und James Brown.
Auch heute ist das Apollo eine einzige riesige Casting Maschine, die in den regelmäßig stattfindenden Amateur Night Shows, besonders mittwochs-abends unbekannten Künstlern ihre Chance zum Auftritt vor recht kritischem Publikum gibt. Begeistert stehend kann sein Applaus Karrieren begründen, im anderen Fall warten Pfiffe, Buh-Rufe und ein fest angestellter „Rausschmeißer“, der die Geschmähten von der Bühne begleitet.
Manchmal kann es vorkommen, dass einer von den ansässigen Profimusikern nach seinem Auftritt in Midtown Manhatton noch in seinem Stammlokal vorbeischaut und eine kostenlose Performance den überraschten und erstaunten Gästen zu besten gibt; Harlem ist eben, wo die Musik ist und die Musik ist in Harlem.
Und dies gilt auch für Spanisch Harlem. Hier in East Harlem wohnen hauptsächlich Hispanics aus Puerto Rico. Und wie die Afroamerikaner brachten sie ihre Kultur, ihre Kunst, Musik, ihre Küche und ihr Lebensgefühl in dieses Viertel, das El Barrio.
Wie in dem afroamerikanischen Viertel geht man kaum eine Strße, ohne auf Straßenhändler und Künstler zu stoßen, die den öffentlichen Raum tagtäglich zu ihrer Bühne, ihrem Geschäftsfeld machen. Sicher, „Black Harlem“ war immer schon anders als East Harlem.
„Black Harlem“ war immer religiös, ein Ort mit über vierhundert Kirchen. Hauptreligion war und ist der Katholizismus, aber auch Baptisten und Methodisten zählen neben vielen anderen Religionsgruppen große Gemeinschaften. Allen gemein ist der sonntägliche Besuch in ihrer Kirche und der Godspell Gesang. Wollen Sie „Black Harlem“ authentisch erleben, gehen Sie am Sonntag in die Kirche. Anschließend lohnt ein Besuch im Studio Museum, das dem Schaffen, den Werken farbiger Künstler gewidmet ist. Selten bekommen Sie so einen umfasssenden Überblick über die aktuelle Kunstszene farbiger Künstler wie hier.
Unterwegs von der Kirche zum Museum wird Ihnen unwillkürlich auffallen, dass wieder einmal reihenweise Wohnungen im Viertel leerstehen und dies trotz hoher Wohnungslosigkeit unter der Bevölkerung. Und es sind nicht heruntergekommene Wohnungen, sondern jene, die für die gehobene Mittelschicht noch vor kurzem fertiggestellt worden sind und die nun wegen der Konjunkturkrise zwischen 2008 und heute, 2014, nicht verkauft, nicht vermietet werden können. Es gäbe da eine neue, große Gruppe an Migranten aus dem Süden, aus Mexiko und Mittelamerika, die …„Ain’t nothing like them nights in Harlem. They never fake the funk up there.“ (L. Vandross Lyrics)