New York: SoHo

Der Wandel in South of Houston.

Das Viertel mit dem gußeisernen Gesicht.

SoHo, New YorkSoHo, New YorkNew York, ManhattanUnd immer wieder die gleiche Geschichte: Blüte und architektonischen Reichtum verdankt das Viertel südlich von Houston Street (South of Houston / SoHo) erstens einer radikalen Entvölkerung und zweitens dem erfolgreichen Kampf gegen den Bau einer Stadtautobahn mitten durchs Viertel, ähnlich wie z. B. die Bronx.

SoHo war ein Slum, als die Textilindustrie hier zwischen 1850 und 1890 ihre Produktions- und Lagerstätten betrieb. Exploitation der Arbeiter und Kinder trat das Erbe eines vorher recht wohlhabenden Viertels an, deren Bevölkerung in die nördlichen Teile Manhattans weiterzog, als die Textilindustrie sich hier mit einem Boom an Lagerhäusern und Industriestätten breit machte.

Das ging bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, bis dann aufgrund politischen Wandels die Textilindustrie und mit ihr die unterbezahlten Arbeitskräfte aus dem Viertel verschwanden. In den Leerstand an großflächigen Industriegebäuden zogen zuerst, nicht selten illegal, junge Menschen, Kreative, Künstler, Intellektuelle und verwandelten die industriellen Architektur-Rückstände zu großräumigen Lofts, wo Ateliers, Gewerbeflächen und Wohnungen unterkamen. Nachdem das Viertel und sein Milieu sich vom Slum zum Szeneviertel gewandeltte, bemerkte es auch das Investment-Kapital und sein Knecht, der Immobilienspekulant. Kapital und Immobilienkommerz verdrängten die Pioniergeneration aus dem Viertel und dieser Prozess wiederholt sich bis heute auf einem signifikant großen Anteil der Fläche von Big Apple, vor allem in Harlem, der Bronx, Chelsea etc.

Übrig blieben aufwendig sanierte, großzügige Loftwohnung, trendig sanierte, hochmoderne Wohn- und Gewerberäume in der sogenannnten Cast-Iron Architektur mit Mietpreisen, die heute zu den höchsten in ganz NYC zählen. Unbedacht der mehrfachen Gentrifizierung und knallharten Segregation der Pioniere des Viertels erwartet SoHo den Besucher mit mehr als 250 dieser wunderschönen Cast-Iron-Gebäuden, die nicht selten auch noch mit Versatzstücken französischer bzw. italienischer Renaissance- und Barok-Architektur in den Fassaden zusätzlich aufgeschönt worden sind. Und eine Geschichte der Avantgarde-Kunst, die heute vielleicht so nicht mehr hier, sondern eher in benachtbarten Vierteln wie Chelsea oder gar in der Bronx, in Queens eher beheimatet ist.

Damals aber in den sechziger, siebziger, achtziger Jahren, als sich in SoHo die Fluxus-Szene konstituierte, die Szene von unterschiedlichsten Experimentalfilmern und die Jazz-Avantgarde traf, war SoHo sicherlich das angesagteste Viertel unter Künstler und Intelektuellen in ganz Big Apple.

Lebt das Viertel noch von diesem Glanz? Sicherlich. Auch wenn heute SoHo Zentrum von internationalen Modelabels ist, von französischen und italienischen Modekonzernen, die ihren Hauptsitz oder ihre wichtigsten Niederlassungen hier haben, von Shoppingmeilen, Boutiquen hochwertiger bis sündhaft teurer Modemarken charakterisiert wird. Noch gibt es die Galerien mit avantgardistischem Anspruch, die exklusiven Antiquitätenhändler mit ihren unbezahlbaren Exponaten, unbezahlbar wie die Mieten für Nachwuchskünstler und die neue Avantgarde der Kunst, Schrifstellerei und Musik der Stadt. Wollen Sie die erleben, müssen Sie schon woanders hin.

Trotzdem ist es nicht verkehrt, den südliche von der Housten Street liegenden Bezriken bis zur Canal Street einen längeren Besuch abzustatten. Atmosphäre hat das Viertel nach wie vor, wenn auch manches eher nostalgisch als authentisch wirkt, die Augen werden sicher nicht müde zu schauen, vor allem, wenn es an die herrlichen Details in den Fassaden geht. Und Orte zur kurzweiligen Erholung, schicke Bars und Cafés gibt es zu dem zu Hauf. Manche versteckt in einer der vielen kleinen Straßen, die Tische und Stühle gesäumt von Laubbäumen. Andere wieder im urbanen Flair hochfrequentierter Straßenkreuzungen platziert und kein bischen weniger attraktiv.

SoHo, New York

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Oberbayer

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