Torsten Paul - Seite 3

Brücke über Genres

Das zeichnerische Werk von Torsten Paul lässt sich recht einfach aufteilen. Da ist einmal die Zeichnung als Skizze, als Entwurf oder als Vor- und Detailstudie zur Skulptur, teilweise auch zur Malerei. Und andererseit ist die Zeichnung eine eigenständige Kunstform im Werk von Paul.

Als Skizze finden wir sie in zahlreichen Blättern, auf einigen sehen wir das Sujet Industrie bzw. Architektur wieder auftauchen. Andere variieren Blickwinkel auf menschliche Körper, wieder andere sind Detailstudien. Als Skizze bzw. Entwurf fungiert die Zeichnung für Paul wie seit jeher als Schule des aufmerksamen und genauen Sehens.

Torsten Paul - ZeichnungZeichnung in diesem Sinne war bis etwa ins 15. Jahrhundert eine „naturalistische Form“, also die Betonung von Linienführung und Umriss eines dargestellten Gegenstandes, hier bei Paul hauptsächlich des menschlichen Körpers. Zeichnung „nach der Natur“ erkennt den menschlichen Körper nach Maß, Haltung, Proportionen, der später dann, gleichsam in einer zweiten Stufe, die Ausarbeitung in einer Skulptur oder einem Gemälde folgt.

So ist Zeichnung keine eigenständige Kunstform, wiewohl sie doch – und dies paradoxerweise zudem – in der Darstellung „nach der Natur“ einer hohen Abstraktion folgt. Paul, wie andere Zeichner vor ihm, reduziert dabei die Natur oder die natürliche Vorgabe, den menschlichen Körper, auf das für das Auge eines Bildhauers Wesentliche, die Proportionen des Körpers in der Linienführung.
Der Körper wird gewissermaßen vermessen, um hernach als inneres Maß dem rohen Marmor eine körperliche Gestalt abringen zu können.

 

Torsten Paul - Zeichnungen - AktstudieDie Schule der Zeichnung, die stets auch als Grundschule des Sehens verstanden wurde, galt lange Zeit den Künstlern als notwendig, um sich ein künstlerisches Sujet zu erarbeiten und dann in Malerei oder Skulptur zum eigentlichen Ziel fortzuführen.

Bedeutende Maler waren oft bedeutende Zeichner wie etwa Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer. Und die Entwicklung eines Bildes oder einer Skulptur aus der Linie, aus der gezeichneten Skizze war unstrittig, bei Hegel sogar angesehen als eine der höchsten Künste überhaupt.
Wir erinnern uns an die Auseinandersetzung zwischen den sog. Poussinisten und den Rubenisten, jene, die den Primat der Linie, diese, die den Primat der Farbe hervorhebend den Streit um die Aufwertung der Zeichnung in der Kunsttheorie aus dem 17. Jahrhundert wieder aufnahmen und fortführten.

Die Zeichnung und das Aquarell galten als Zwischenschritte von der Idee eines Kunstwerks zu seiner Ausführung. Torsten Paul zeigt Zeichnungen durchaus als diese Skizzen einer späteren dreidimensionalen Skulptur, deutlich auch in der Benennung der Blätter als Studien u.ä.
Andere Blätter tragen die Bezeichnung Akt, Aktuette, Muschelfragment usw. und deuten damit bereits an, dass sie als eigenständige Zeichnungen angesehen werden können und wollen. Ihre Ausführungen gehen deutlich über die reine Skizzenzeichnung mit Tusche oder Grafit hinaus, sind zu Kohle und /oder und Grafit mit Acryl und Rötel z.B. koloriert.

Torsten Paul - Zeichnungen - Gabi

Torsten Paul - Zeichnungen - AktKolorierung etwa mit Rötel allein galt in der Italienischen Renaissance besonders im Manierismus bereits als die Auflösung des Primats der Linie hin zur Farbe und damit als Schritt von der Zeichnung zur Malerei. Bedeutendster Zeichner dieses Übergangs von der Zeichnung zur Malerei im Medium der Zeichnung war Rembrandt, der eine unglaubliche Anzahl von Studien und Entwürfen hinterlassen hat, die nicht mehr eindeutig der Zeichnung noch der Malerei zugeordnet werden konnten.

Für dieses „Dazwischen“ war mit maßgebend das Fragment, das zu dieser Zeit die Bedeutung eines eigenen künstlerischen Sujets erhielt. Das Unvollendete wie etwa im Torso, das Abgebrochene wie in der unfertigen aber kolorierten Skizze, faszinierte gerade in dieser unfertigen, unausgeführten Form und galt gewissermaßen als ein Einblick in die Idee und Handschrift des Zeichners. Gerade das Fragment trug damit die Möglichkeit, dem Künstler bei der Arbeit zuzusehen, bei der Übersetzung seiner Idee in die Ausführung.

In den Zeichnungen von Torsten Paul sehen wir alle diese Elemente und Einflüsse, die die Zeichnung über die Skizze hin zu einer eigenständigen Kunstform führen. Obwohl sich Paul sehr stark zurückhält, die Grenze zwischen Malerei und Zeichnung durch die farbliche Gestaltung und den Einsatz von Pastellfarben und Farbkreiden zu weit zu verlegen, er aus den Paletten der Pastelle und Kreiden sich stets äußerst zurückhaltend bedient, erkennen wir die Elemente der plastischen Gestaltung in seinen Zeichnungen.

Paul setzt dabei weniger die Farbpalette als moderne „Maltechniken“ in seinen Zeichnungen ein wie etwa Verwischen und Verreiben, die die Eindeutigkeit der Linien auflösen. Aber trotzdem bzw. gerade weil Pauls Zeichnungen die klassischen, akademischen Formregeln unterlaufen – wie dies mit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Expressionismus und Impressionismus üblich wurde – ist sein reduzierter Einsatz von Farbe und „Maltechnik“ in seinen Zeichnungen zugleich doch auch eine Art der „Rekonstruktion“, die zwar mit den klassischen Kriterien der Kunsttheorie nicht mehr eindeutig einzuordnen ist, gleichwohl aber an der Unterschied zwischen Zeichnung und Malerei erinnert.

So bildet die Linie nicht nur in den Zeichnungen von Torsten Paul ein wesentliches Element. Wir finden sie auch in seiner Malerei und seinem plastischen Werk. Dabei geht er nicht so weit wie etwa Picasso, der in seiner Malerei Werke hinterlassen hat, die gänzlich aus nichts anderem als aus Linien aufgebaut sind. Hier wie auch bei Paul fehlt jede expressionistische, dramatische, ausdrucksstarke Geste im Strich.

Betrachten wir also Pauls Gesamtwerk aus den Zeichnung, Malerei und Skulptur verbindenden Elementen, dann dürfen wir in der Zukunft noch einiges erwarten; nichts weniger, als neue Impulse für alle drei Bereiche zeitgenössischer Kunst, Zeichnung, Malerei und Skulptur übergreifend.

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 4: Auzüge aus Katalogen zur Bildhauerei

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