Castiglione d’Orcia

Die verschwiegene Welt im Oricia-Tal.

Rückkehr nach Castiglione d’Orcia.

Italien - Toskana

Italien - Toskana Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, der Tourismus in der Toskana hatte bereits an Geschwindigkeit zugenommen, die Besucherzahlen stiegen und das Orcia-Tal war weit entfernt davon, Unesco Kulturerbe zu werden – dies gelang erst im Jahr 2003 – kannte das Orca-Tal kaum jemand. Vielleicht der ein oder andere der Toskana-Pioniere aus der BRD, Lehrer, Intelektuelle, Aussteiger und junge Sozialdemokraten. Als sie in die Toskana kamen, alte, teils völlig verfallene Gehöfte kauften und begannen, diese zu sanieren, war die Jugend weitgehend aus der Toskan ausgewandert und dieser Teil besonders von der Landflucht betroffen.

Castiglione d’Orcia lag geduckt und braun auf dem Rücken des Hügels, der rundherum grün bewachsen war, kein Haus, nicht einmal Ruinen gab es dort. Man hielt mit seinem Käfer in der fast menschenleeren Ortsmitte und als erfahrener Land-Tourist wusste man, man fragt nach einer Unterkunft beim Parrucchiere oder im Alimentari nach; hier war es der Alimentari. Wenn man Glück hatte, bekam man ein unbewohntes Haus im hinteren TReil der Ortschaft, Küche, zwei Schlafzimmer mit Terrasse und das Ganze, wenn man drei Wochen blieb, für 5.000 Lire, also etwa zwanzig DM pro Tag. Natürlich ohne Handttücher, Bettwäsche, Toilettenpapier etc., aber das war ja bekannt.

Italien - Toskana

Italien - Toskana Den ersten Cappuccino trank man dort, wo Stühle an der Mauer mit Blicks über die toskanische Landschaft Gäste empfingen; der einzig Ort der italienischen Gastfreundschaft übrigens. Hier war das Cafe am Morgen, wo man den Espresso und die Paste di mandorla oder die Cantuccini stehend genoss und dabei den Blick unstillbar über die weiten, nun im September abgeernteten Flächen mit ihren zahllosen Brauntönen schweifen ließ.

Hier trank man nachmittags dann den Cappusccino und saß abends im Ristorante; ein multifunktionaler Ort, dessen Magie durch nichts anderes heraufkam auf den Hügel als durch die Farben des Bodens und die Lichter der Sonne im Verlauf.

Am späten Nachmittag dann der Höhepunkt, das Sfumato, das die Landschaft am Horizont in ein zwielichtiges Blau-Hellgrau tauchte, von dem sich die Zypressendunkel, fast schwarz abhob, die zu beiden Seiten des Wegs hinauf zu den edlen Landhäusern standen. Und zu jeder Tageszeit umwehte den Ort auf dem Hügel ein spezieller Duft, eine Mischung aus Zypressen und Pinien, die auf der Rückseite des Dorfes sich weit ausbreiteten.

Italien - ToskanaItalien - ToskanaDie beiden Signoras, die den Alimentari führten, die auch das Haus vermieteten, servierten am Abend Vorspeise, primi e secondi piatti und dazu aus dem eigenen 5.000 Liter Fass im Keller den Brunello, manchmal di Montalcino, mal di Montepulciano, die Flaschen natürlich ohne Etiketten für knapp eine D-Mark; der Brunello war damals der bessere.

Ein paar Jahre später trank man den Wein in Köln oder in Düsseldorf für 120 DM die Flasche, aber das war nicht so aufdringlich. Eher die Frage, woher all dieser Wein denn gekommen ist, war das Anbaugebiet doch recht klein und die göttliche Weinvermehrung verwunderte die wenig, die den Brunello kannten. Kenner merkten sofort, das war eine Verwandlung von Wasser in Wein und Gott war wohl nicht als Verwandlungskünstler daran beteiligt, sondern findige italienische Winzer, die schnell das Geschäft ihres Lebens erkannten.

Bis spät saß man dort, nicht selten der einzige ausländische Gast, zu dem sich gelegentlich Durchreisende gesellten, immer aber, wenn die Lichter auf den Anwesen und in den raren Häusern um den Hügel angingen, kamen die Bewohner von San Quirico d’Orcia von der Arbeit oder von der Jagd vorbei und ließen sich den Wein schmecken.
Die meisten von ihnen damals waren nicht ganz so redselig, wie man sie heute kennt, aber für ein paar Worte, ein paar Sätze waren sie zu gewinnen und dies widersprach auch nicht ihrer eher nord- als süditalienischen Seele, die wenig aufdringlich und doch gastfreudlich blieb.

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