Stadt unter Atlantiklicht
Geografisch ist hier Andalusien, al-Andalus, der Name, der mit diesem Teil des Umayyaden-Reichs eng konnotiert. Seeseits, hin zu den Wellen des Atlantiks, die ein steter Seewind gegen die alte Schutzmauer wirft und der aus den Weiten des Meeres hin meist kraftvoll anlandet, wandelt sich schnell der Eindruck. Nicht viel erinnert an der kilometer-langen Seepromenade an liebliche, mediterrane Impressionen; rauh ist es hier, stürmisch oft und immer erkennt man, hier ist nicht das Mittelmeer, hier herrscht der Atlantik.
Diese ganz spezielle Atmosphäre macht den Reiz dieser wunderschönen Hafenstadt aus. Ihre andalusische Architektur mit den Einschlüssen osmanischer Kultur und Geschichte, die man überall in al-Andalus findet, in Verbindung mit der hier so sichtbar sich absetzenden atlantischen Färbung des Lichts lässt Cádiz aus dem Rahmen mediterraner Städte herausfallen.
Wie Sevilla wurde Cádiz der Legende nach durch Herakles gegründet. Herakles, sinngemäß „der sich an Hera Ruhm erwarb“, lateinisch Hercules, ist ein für seine Stärke berühmter griechischer Heros, dessen Ziehvater der kluge Amphitryon war und der über die Genealogie seiner Mutter Alkmene zum Geschlecht der Perseiden gehörte, wird in Cádiz noch heute im Stadtwappen verehrt, dessen Inschrift lautet: „Hercules Fundator Gadium Dominatorque“ – Herkules, Gründer und Herrscher von Cádiz.
Stark und trutzig wirkt die Stadt von der Seeseite her betrachtet immer noch. Innen hat sie sich zu einer wahren, andalusischen Schönheit gewandelt. Lange, enge Gassen mit liebevoll restaurierten Häusern, unzähligen Plätzen, gesümt von Bars, Restaurants und einer ganzen Reihe von speziellen Läden, wo man die kulinarischen Köstlichkeiten der Region nicht nur kaufen, sondern auch probieren kann, prägen das Stadtbild, in dessen Zentrum die Plaza España mit dem Monument an die Cortes – die Stände-, später Volksversammlungen – und die Verfassung von 1812 erinnert.
Die Altstadt mit den Vierteln (span. barrios) El Pópulo, La Viña und Santa María sind immer gut besucht, allein schon ohne die wachsende Zahl der Touristen ist der Fußgängerverkehr durch die Gaditanos, so werden die Einwohner von Cádiz genannt, sagen wir mal: lebhaft.
Die Gaditanos lieben nicht nur ihre Stadt, für sie ist sie Lebensprinzip, Zentrum des alltäglichen Lebens, Ort für Gespräche, Freundschaften, Bühne und Theater zugleich.
Das Theater Falla ist entsprechend gut besucht, wie die alte Kathedrale Iglesia de Santa Cruz, die Kirche mit der ältesten Geschichte in der Stadt. Eine Kathedrale, die im Jahre 1263 auf Geheiß von Alfons X. dem Weisen auf dem Gelände einer ehemaligen maurischen Moschee gebaut wurde.
Nachmittags und an den Wochenden ganztags aber gehört die Playa de La Caleta den Gaditanos. Vorbei am Kastell San Sebastian aus dem frühen 18. Jhd. geht es in Richtung des etwa zweihundert Jahre älteren Kastell Santa Catalina und nicht wenige Spaziergänge finden eine Pause am alten Badehaus am Stadtstrand, dem Balneario de la Palma aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, das im Jahre 1926 als mondänes Badehaus mit viel Marmor erbaut wurde.
Hier, nicht wie viele behaupten, in Havanna, stieg Halle Berry in „James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag“ atemberaubend graziös aus dem Wasser. Und hier mit Blick auf die beiden Kastelle verbringen die Gaditanos gerne die heißen Stunden des Tages, hier finden sie die Cafes, ohne die ein richtiger Gaditano keinen Tag verbringen könnte.
Hier an Playa de La Caleta spürt man noch etwas von der großen Zeit Spaniens, von hier ganz in der Nähe in Puerto de Santa María war Kolumbus auf seiner zweiten Reise im Jahr 1493 zur Neuen Welt gesegelt. Hier konzentriert sich gewissermaßen der Nukleus der Spanischen Eroberung, in dessen Folge die Hafenstadt Cádiz zum Umschlagsplatz des unermesslichen Reichtums, den die Flotte aus Übersee hier anlandete, wurde, zum zentralen Hafen der spanischen Silberflotte und sich damit zugleich zahllosen Überfällen ausgesetzt sah.
Der Reichtum an Silber und Gold lockte Barbareskenpiraten aus Algerien, die hier im 16. Jahrhundert mehrmals auf Beutezüge ausgingen, setzte die Stadt feindlichen Attacken der Engländer aus. Letztere zerstörten im April 1587 unter Francis Drake die im Hafen befindliche spanische Flotte, im Juli 1596 plünderten und verbrannten die Engländer unter Charles Howard, dem Earl von Essex und Walter Raleigh auch die Stadt selbst, äscherten die spanische Flotte erneut ein und zogen mit großer Beute ab.
So sehr die Stadt auch in ihrer abwechslungsreichen Geschichte gelitten habt, so stolz sind ihre Bürger auf sie heute.
Und nicht nur die Bürger von Cádiz; die Stadt steht auch für den Stolz einer ganzen Nation.
So kommen vor allem einheimische Sommerurlauber in den Sommermonaten vor allem aus Madrid, Barcelona aber auch aus vielen anderen Orten aus ganz Spanien hierher und feiern eine einst große Seefahrernation an den vier großen Strandabschnitten des neun Kilometer langen Stadtstrandes und in den zahlreichen Gassen der Stadt, wo dann der grollenden Donner der Böller und Feuerwerke verstärkt scheinbar mehrmals die Altstadt auf- und abläuft.
Und glauben Sie mir, feiern und böllern können die Gaditanos. Lassen Sie sich das auf keinen Fall entgehen. Anlässe gibt es genug.