Amberg i. d. Oberpfalz

Unterwegs zu Gott

Zwischen Papst und Fürsten.

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Die Oberpfalz war immer schon ein wenig anders. Nicht ganz Bayern, nicht ganz Franken, von allem etwas. Kulturell betrachtet war und ist Amberg geprägt vom jesuitischen Denken und dessen Moralvorstellungen. Wirtschaftlich betrachtet gehört Amberg zur Metropolregion Nürnberg, war Teil der Bayerischen Eisenstraße, die zwischen Pegnitz und Regensburg historische Industrie- und Kulturdenkmäler verbindet.
Und historisch betrachtet war Amberg fürstliche Festungsstadt, leistete sich, durch Eisenerzbergbau reich geworden, ab dem 14. Jahrhundert eine gigantische Stadtbefestigung, die in der damaligen Zeit so furchteinflößend gewesen war, dass sie bis 1703 – nur im Spanischen Erbfolgekrieg wurde Amberg nach mehrwöchiger Belagerung durch kaiserliche Truppen besetzt – nie ernsthaft und erfolgreich belagert und eingenommen wurde.

Über 100 Türme und mehrere Kilometer zweireihige Stadtmauern beschützten die Amberger, was heute noch zu sehen ist. Die ganze Stadt wurde sogar zeitweise durch den stets gefüllten und aufgestauten Stadtgraben zu einer veritablen Wasserfestung. Der Bürgermeister Michael Schwaiger schrieb in seiner Chronica Amberg 1564:. „Münche[n] sey die schönst, Leipzig die reichste, Amberg die festest Fürstenstad“. Wechselhaft und rätselhaft zugleich ist die Geschichte der Stadt Amberg, in der der Königssitz des Markomannenkönigs Marbod und das antike Maroboudon vermutet wurde. Schon Ptolemäus, griechischer Mathematiker, Geograph, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph sprach und verortete das antike Maroboudon hier in der Gegend, aber lange Zeit konnte der Ort nicht sicher lokalisiert werden.

Amberg - Bayern

Amberg - BayernAmberg - BayernAmberg - BayernAmberg - BayernEin interdisziplinäres Forscherteam um Andreas Kleineberg verortet Maroboudon nach den transformierten antiken Koordinaten beim heutigen Amberg in Bayern und bestätigt die Angaben von Ptolemäus. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Amberg in der Karolingerzeit eine Kaufmannssiedlung am Übergang der Goldenen Straße – der Fernhandelsstraße zwischen Nürnberg und Prag – war, und an diesem Flussübergang über die damals schiffbare Vils in älterer Zeit als ein Handelsplatz von Bedeutung existierte.
1417 ließ Kurfürst Ludwig III. das Kurfürstliche Schloss erbauen. 1474 fand in Amberg, begleitet von glanzvollen Feierlichkeiten, die „Amberger Hochzeit“ zwischen Philipp, dem Sohn des pfälzischen Kurfürsten Ludwig IV., und Margarete, der Tochter des Herzogs Ludwig IX. von Bayern-Landshut, statt. Dieses Ereignis fand reichsweite Beachtung und ist, was Aufwand, Festivitäten und Teilnehmerzahl betrifft, mit der ein Jahr später veranstalteten Landshuter Hochzeit durchaus vergleichbar. So weltlich aber die Geschichte der Stadt auch gewesen sein mag, nicht vergessen werden sollte ihre spirituelle Bedeutung, die bis weit in die Gegenwart hineinreicht.

Es waren die jesuitischen Exerzitien, die sich über Amberg hinaus verbreiteten. Exerzitien waren und sind sind geistliche Übungen, die abseits des alltäglichen Lebens zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit Gott führen sollen. Sie werden einzeln oder in Gruppen durchgeführt und können von einigen Stunden bis mehrere Wochen oder Monate dauern. Grundlegende Elemente sind Gebet, Meditation, Lectio divina, Fasten, Schweigen, Gespräche mit einem Exerzitienbegleiter und körperliche oder künstlerische Betätigung – Ora et labora, Ikonographie.
Prägend für den Wortgebrauch wie für die Praxis sind die Ignatianischen Exerzitien, die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola. Der Gründer der Gesellschaft Jesu versuchte darin, seine eigenen geistlichen Erfahrungen anderen zugänglich zu machen. Dazu lud er Freunde und andere an einer radikalen Nachfolge Jesu Interessierte ein, sich für eine Zeit zurückzuziehen und unter seiner Anleitung dem Gebet, der Meditation und Unterscheidung der Geister zu widmen.

Exerzitien im Alltag waren und sind regelmäßige Treffen mit Impulsen und Gesprächen, während das alltägliche Leben mit Arbeit und Familie ganz normal weitergeht. Die Teilnehmer waren und sind eingeladen, Zeiten des Gebetes in ihrem Alltag zu gestalten und zu integrieren. Der Jesuit Christian Herwartz bot zunächst in Berlin „Exerzitien auf der Straße“ an. Inzwischen wird diese Form der Exerzitien auch in anderen Städten und Ländern von ehrenamtlichen Exerzitienbegleitern verschiedener Konfessionen angeboten. Gott kann auf die Einzelnen mit seinem Ruf an ganz unterschiedlichen Orten warten – unter Drogenabhängigen, im Arbeitsamt oder in einer Moschee, an einem Denkmal, an einem Flussufer oder anderswo – um ihn neu weiter in ein befreites Leben zu rufen.Gott wartet und liefert, wenn er angesprochen wird; im business Jargon. Seit 2019 finden zusammen mit Buddhisten und Moslems weitere Retreats auf der Straße statt, die ersten Jesuiten hätten ihre wahre Freude daran gehabt.

Auch gefreut hätten sie die immer beliebter werdenden „Online-Exerzitien“, bei denen die Teilnehmenden wie bei Exerzitien im Alltag zu Hause leben und ihrer gewöhnlichen Betätigung nachgehen. Vier Wochen lang bekommen sie täglich per E-Mail einen kurzen Impuls – ein Nodge – zugeschickt, mit dem sie sich tagsüber beschäftigen können. Abends sollte Zeit für einen kurzen Tagesrückblick sein, und einmal pro Woche korrespondieren die Teilnehmenden mit dem individuellen Begleiter der Exerzitien. Die Begleiter sind Jesuiten und andere Theologinnen und Theologen.

Die katholischen Theologen Alexandra Pook und Thomas Harling halten seit 2009 u. a. in den Benediktinerabteien Münsterschwarzach und Gerleve „Exerzitien für Atheisten, Andersgläubige und Suchende“. Ihre Idee ist es, die klassischen Formen und Rituale der Exerzitien Menschen als Erfahrungs- und Übungsweg anzubieten, ohne dabei einen christlichen Glauben vorauszusetzen; quasi Bekehrung ohne Mission.
Die Berliner Theologin Esther Göbel bietet Surfexerzitien an und natürlich gibt es heute auch Wanderexerzitien, Wüstenexerzitien, Naturexerzitien, mithin alle nur erdenklichen Formen der neuen Spritualität in iner Welt, wo die große Leere immer weiter aufgefüllt wird.

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