Augsburg – Stadt der Fugger

Von Augsburg nach London

Von den Handels- zu den Finanzmärkten.

Augsburg - Bayern

St. Ulrich

Augsburg - BayernKaum jemand würde überhaupt von Augsburg als eine kulturrelevante Stadt in Deutschland, gar in Europa sprechen, wären da nicht einige bekannte Namen und Persönlichkeiten. Allen voran gewiss Jakob Fugger, genannt „der Reiche“, oder Hans Holbein der Jüngere (* 1497 oder 1498 in Augsburg; † 29. November 1543 in London) war ein berühmter Maler, Leopold Mozart (* 14. November 1719 in Augsburg; † 28. Mai 1787 in Salzburg) war Komponist und Vater des weitaus bekannteren Wolfgang Amadeus Mozart.
Johann Gottlieb Freiherr von Süßkind (* 11. März 1767 in Nürtingen; † 21. Dezember 1849 in Augsburg) gründete ein eigenes Bankhaus in Augsburg und steigerte sein Vermögen durch Wertpapierspekulationen derart, dass er bis heute als reichster Mann Schwabens nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gilt.
Rudolf Diesel (* 18. März 1858 in Paris; † 29. September 1913 im Ärmelkanal) war ein deutscher Ingenieur und Erfinder. Er entwickelte ab 1893 in der Maschinenfabrik Augsburg, aus der 1906 MAN wurde, mit finanzieller Beteiligung der Friedrich Krupp AG den Dieselmotor und stellte 1897 das erste funktionstüchtige Modell dieses Motors der Weltöffentlichkeit vor.Schulische Bildung wurde in Augsburg stets großgeschrieben und nahezu alle Schulen können auf Berühmtheiten zurückblicken, die in ihrer Einrichtung das Abitur erlangten. So waren hier unter anderem Napoleon III., Werner Egk, Bertolt Brecht, Rudolf Diesel, der Nobelpreisträger Johann Deisenhofer und auch Bekanntheiten wie Gerhard Höllerich (alias Roy Black) und Andreas Bourani Schüler. Das aber macht noch keine prägende Kultustadt aus.

Was von Augsburg aus in die Welt ging, waren sicherlich Bildung und akademische Forschung, die es seit dem 15. Jahrhundert und mit der Reformation hier in Kontinuität gibt. Gleichwohl Bildung und Studium einen hohen Stellenwert einnahmen, entwickelten sich mit der Reformationszeit neben den katholischen und protestantischen Glaubensgemeinschaften eine Vielzahl an freikirchlichen Gemeinschaften, an orthodoxen Kirchengemeinschaften aus dem Süden-, Osteuropas und dem Nahen Osten in schier unübersichtlicher Ausprägung und Anzahl.

Augsburg - Bayern

Augsburg - BayernAugsburg - BayernVon nicht wenigen als eine erzkonservative Stadt heute beschrieben, zählt Augsburg eine große, muslimische Gemeinschaft, Muslime bilden in Augsburg die zweitgrößte religiöse Gemeinschaft. In der Stadt befindet sich eine Vielzahl von Gebets- und Vereinsräumen, die von unterschiedlichen Gemeinschaften mit eigenen Zielsetzungen und Schwerpunkten geführt werden.

Den Hauptanteil der islamischen Bürger machen Einwanderer aus der Türkei in erster bis dritter Generation aus. Daneben bestehen aber auch Vereine und dazugehörige Gebetsstätten der arabischen, bosnischen und irakischen Muslime sowie zwei alevitische Kulturzentren.

Die Juden hatten bereits 1241 eine eigene Straße in Augsburg, nahe bei der St.-Leonhards-Kapelle und bis 1433 sogar ein eigenes Gericht. Am 22. November 1348 unternahmen zwei Mitglieder der einflussreichen Familie Portner einen Umsturzversuch, um die Macht in der Stadt zu erlangen.
Da dieser Aufstand zeitlich mit einem Pogrom gegen die Juden zusammenfiel und die Portners sich zum Erwerb ihrer Besitzungen bei Augsburger Juden verschuldet hatten, ist vermutet worden, dass die Portner den Pogrom selbst angetrieben haben könnten, um das Chaos in der Stadt auszunutzen und ihre Gläubiger loszuwerden (dazu Carl Jäger: Geschichte der Stadt Augsburg, von deren Anfängen bis auf die neuesten Zeiten. Darmstadt. Und
Archive org..)

Auch wenn der Umsturz scheiterte und die Rädelsführer auf ewig der Stadt verwiesen wurden, konnte oder wollte der amtierende Rat den Mord an den Juden nicht verhindern. Die Augsburger Judengemeinde war somit die erste große Gemeinde im römisch-deutschen Reich, die den Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes zum Opfer fiel.

Auf Beschluss des Stadtrats vom 7. Juli 1438, dass man die Juden „nit länger hie in der Statt laußen sölle dann von hüt dem tag über zway Jare“, wurden sie aus der Stadt vertrieben und siedelten sich vor den Toren der Stadt im Dorf Kriegshaber an (siehe dazu Bayerisches Amt für Denkmalpflege: Augsburg Baudenkmäler, Kriegshaber, Ensemble Ehem. Judensiedlung. (PDF; 0,5 MB).

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Fuggerscher Stadtpalast

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Herrengasse – Fuggerei

Augsburg ist Fuggerstadt. Eine Linie, die Fugger „von der Lilie“ (der anderen, den Fuggern „Vom Reh“, ging es weniger gut), war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts außerordentlich mächtig. Der Name Fugger wurde europaweit zu einem Synonym für Reichtum.
Mit der Bezeichnung „die Fugger“ sind heute meistens die Fugger von der Lilie gemeint. Die Familie Fugger brachte dank ihres großen Einflusses der Stadt Augsburg den Beinamen „Fuggerstadt“ ein. Die Grundstücke in Graben und Augsburg bildeten den Anfang des später beträchtlichen Grundbesitzes der Familie Fugger.

Das Unternehmen der Fugger „vom Reh“ betrieb bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts Handel zwischen den deutschen Hansestädten, Antwerpen und London, Mailand und Venedig, Leipzig und Frankfurt a. d. Oder. Im Jahr 1462 bekamen Lukas Fugger und seine Brüder ihr Wappen mit dem Wappenbild eines springenden Rehs verliehen.

Der Übergang aber von einem großen Handels- zu einem weit größeren Finanzhaus, einer Bank, geschah nicht kontinuierlich, er begann mit einer Fehlspekulation. Denn für die Zahlungsunfähigkeit der Firma der Fugger „vom Reh“ sorgte letztlich eine einzige, spekulative Fehlentscheidung und das war ein ungenügend abgesicherter Kredit an Erzherzog Maximilian I.

Für seine Schulden ließ der Habsburger die Stadt Löwen bürgen, bei der die Forderungen der Fugger „vom Reh“ dann jedoch nicht einzutreiben waren. In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts gerieten die Fugger „vom Reh“ deshalb so sehr in Zahlungsschwierigkeiten, dass ihre Firma bankrott ging.

So wuchsen auf den ersten Blick scheinbar weit entfernte Bereiche, weit entfernte ökonomische Aktivitäten aufeinander zu die Hanse im Norden und die Fugger im Süden. Die Augsburger Bankiers finanzierten die Entwicklung der Hanse wie den Warenverkehr im engeren Sinne. Und sie standen nicht als Person oder Unternehmer selbst im Kontext der Handelsgeschäfte der Hanse, sondern scheinbar unverbunden damit als deren Finanziers auf einer eigenen Geschäftsebene; sie waren gewissermaßen Geldmittler und Clearing House in einem.

Augsburg - BayernAugsburg - BayernAugsburg - BayernAugsburg - Bayern Eine direkte Verbindung von Bankiers und kaiserlicher Macht, die gerne und allerorts heute behauptet wird, gab es damals nicht. Der Übergang in die Neuzeit war noch nicht vollzogen, dazu bedurfte es noch Jahrhunderte. Die Blüte der Hanse und von Venedig, die durch Handel und Geldwirtschaft, neben dem Handwerk, Wissensarbeit, Verwaltung und Kultur ihre produktivsten Kräfte entfalten konnten, wären ohne Bankiers also nicht möglich gewesen – der sog. militärische Komplex wird hier vernachlässigt.

Die Geldwirtschaft der damaligen Zeit berechtigt nicht, von einer frühkapialistischen Form zu sprechen. Das verwechselt Vermögen mit Kapital als im wirtschaftlichen Prozess wirkende Produktivkraft und übersieht, dass erst mit der Liquidierung von Vermögen diese Kapitalform historisch möglich wurde. Wir sind also noch weit entfernt von den Anfängen kapitalistischer Geldwirtschaft, gleichwohl wir bereits Gläubiger-Schuldner-Kontrakte in Form von Wechseln erkennen.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen erfordern eine, von Personen und Unternehmen unterschiedene Form. Eine Form, die als eigenständige, wirtschaftliche Praxis realisiert wird.

Banken haben zu Fuggers Zeiten diese auf Glaubwürdigkeit basierende Wirtschaftsform erstmals erfunden als ein eigenes, spezielles Geschäftsmodell. Nur ein Geschäftsmodell, welches Glaubwürdigkeit zu einem transpersonalen Prinzip erhebt und selbst nicht als ein Unternehmen direkt an den Handelsprozessen beteiligt ist, kann Glaubwürdigkeit in seinen Interessen garantieren. Also ist Glaubwürdigkeit als Geschäftsmodell, nach dem sich alle Handlungen der am Geschäftsmodell und seiner Umsetzung Beteiligten richten müssen, für einzelne Händler, Handelsunternehmer und direkt wie indirekt daran Beteiligter garantiert.

Als Bankiers verdienten die Fugger an jedem Handelsgeschäft und ebenso evident war ihr Vorteil, dass sie natürlich auch an allen Geldgeschäften außerhalb der Handelsgeschäfte, die die vermögenden Händler und eine zunehmende Zahl an gut situierten bis vermögenden Bürgern vor allem in den aufstrebenden Städten und Handelszentren tätigten. Ein Vielfaches an Geschäftstätigkeiten war also mit diesem Geschäftsmodell verbunden, war es glaubwürdig, also im Dienste der Sache selbst und im umgekehrten Fall sogar (selbst-) schädlich für eine Bank.

Mit jedem Geschäftsvorfall, den die Fugger als Bankiers tätigten, bewies sich ihr Geschäftsmodell nicht nur als glaubwürdig, sondern ihre Entscheidungen auch für den einzelnen Geschäftspartner bzw. einzelnen Bankkunden als nachvollziehbar und somit vertrauenswürdig. Die Bank stand nicht gegen die Bedürfnisse ihrer Kunden, sondern als Vermittler zwischen den Geschäften, die Kunden mit Kunden und Kunden mit sich selbst, also als Privatkunden tätigten. Von einer Allianz der damaligen Banken und dem Staat konnte keine Rede sein, sah das Geschäftsmodell diese Form der ‚Beteiligung‘ ja auch gar nicht vor. Aktien bzw. Anleihen auf die Betriebsvermögen der Fugger und andere Banker waren noch lange nicht emittiert, Börsenplätze unbekannt.

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