Eine lieb gewonnene Tradition fiel wie jedes Jahr auf den letzten Freitag im Oktober. Lieb gewonnen, weil der Seniorenkreis wie immer mit Damen stattfand und allein deshalb schon den Ambitionen der männlichen Abendgäste, die Themen fortzuführen, die ohne Damenbegleitung normalerweise die Oberhand haben, genügend überzeugende Gegenreize vis-à-vis saßen.
Die nun so angeregte Männlichkeit fand ihren Höhepunkt in der Rede unseres allseits geschätzten Leiters des Senioienkreises, Bernd Nocken, der einmal mehr im Hauptteil seiner kurzweiligen, mit verbaler Leichtigkeit, sattem Humor und semantischer Finesse vorgetragenen Ausführungen zu den christlich-abendländischen Tugenden das Club-Bistro wieder einmal voll in seinen Bann zog.
Wo auf der Welt wagt sich ein Redner vor dem Essen und vor einem Seniorenkreis mit dem Thema Tugenden ans Mikrofon? Da würde sogar so mancher heute in der gleichen Situation an vielen Philosophischen Instituten Protest und Pfiffe der Hungernden provozieren.
Nicht so in Hubbelrath, wo – wie Bernd anmerkte – ein Durchschnitt von über siebzig Lebensjahren den Tugenden und ihren zeitgenössischen Ausprägungen auf den beiden Plätzen und in den Clubgebäuden mit großer Aufmerksamkeit nachdachte.
Es stimmt schon nachdenklich, wenn man während der langen Stunden in so manchem Flight erfahren muss, wie all die himmlischen Tugenden ihr einstiges Schattendasein nun öffentlich schamlos zur Schau stellen. Wie Hochmut vor Demut, der Zorn vor die Geduld, der Neid vor das Wohlwollen treten.
Fast wäre der Beifall in Demut vor dem Wort versunken, als Bernd seine Hommage an die Gäste aussprach, stolz zu sein, diesen Kreis leiten zu dürfen, wo doch eher selten die Schattenseiten der einst von allerhöchster Stelle ersonnenen Empfehlungen an die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen Platz greifen.
Nicht, dass alles bestens sei auf unseren Plätzen, aber in aller Regel herrscht doch eher Mäßigung und kluge Zurückhaltung, wenn der Seniorenkreis mittwochs auf die Jagd nach Stablefort-Punkten geht. Mich hat so mancher Mittwoch eher an einige der konfuzianischen Tugenden erinnert, vor allem an die ausgeprägte Wahrhaftigkeit vieler Mitglieder des Kreises untereinander, an einen gesitteten, deshalb aber nicht steifen, formalen Umgang miteinander. Und dass bei den Hubbelrather Senioren Wissen en masse die Runde nach den Turnieren macht, verwundert nicht.
Den Pflichtteil seines Amtes, die Jahrespreisverleihung, absolvierte Bernd mit einem Vergnügen, das sich auch bei den kleineren Anlässen bei den Mittwochsturnieren stets zeigt. Eine besondere Dramatik in seinen Preisreden erreicht Bernd immer dann, wenn mal wieder der notorische Bruttosieger, Rolf Kämmerling, ausgerufen wird. Rolf, der natürlich nicht nur mit weitem Abstand den Bruttosiegerpreis einstreicht, sondern selbstverständlich auch den Nettopreis, und gäbe es noch einen Tarapreis oder andere, sie stünden wohl alle silber-glänzend eng aneinander gereiht auf seinen Vitrinen zuhause.
Eine Tugend aber, die Bernd nicht erwähnt hatte, und die Aristoteles als eine Tugend des Feingefühls, das Christentum als die Tugend des Demütigen fortan eher zur Ausstattung der Frauen zählte, die Scham, konnten dann alle im Raum in der von allen lautstark geforderten „Bruttorede“ von Rolf mitschwingen höhen.
Wer so viele Turniere gewinnt wie Rolf, der damit locker an die Triumpfe der „Bayern“ im Fußball heranreicht – die Brutto-Sieger-Schale trägt mindestens so oft seinen Namen wie die Meisterschale den der Bayern, der darf sich ob dieser Dominanz und für alle Mitspieler hoffnungslosen Unterlegenheit gerne auch mal ein wenig schämen; so geschehen.
Und es stünde den Bayern auch gut an, dem Vorbild von Rolf Kämmerling zu folgen. Vielleicht kommen sie ja mal auf die Idee, ihn anzurufen und diesbezüglich um Rat zu bitten.
Und das kann ich als ein neues Mitglied im Kreis bestätigen und tue dies gern; so freundschaftlich, unkompliziert und ehrlich der Kreis mich empfangen und aufgenommen hat, das zeugt von einem gelebten Umgang mit einigen der angesprochenen Tugenden. Herzlichen Dank an alle dafür.
Allen Siegerinnen und Siegern einen
Herzlichen Glückwunsch!
