Keine Zeitenwende.
Wir haben zurückgeblickt, zurück ins Jahr 2019, das Thema Tugend versus Laster erneut aufgegriffen; aber von vorne an. Die ersten Senioren mit und ohne Begleitung erschienen bereits vor 17.00h, manche kamen erst kurz vor 18.00h. es herrschte eine gewisse Verwirrung ob der Uhrzeit, wann die diesjährige Jahresabschlussfeier der Senioren im Golfclub Hubbelrath denn nun beginnt. Prosecco zum Empfang machte die Verwirrung deutlich angenehmer und hob die Stimmung binnen Minuten.
67 Personen waren erschienen, das waren deutlich weniger als in den vergangenen Jahren, niemand konnte sich einen Reim darauf machen, war es das Wetter, das Alter, die Gesundheit?
Der Beginn im Programm war wie immer. Nach der Vorspeise: Gebeizter Saibling – Meerettich-Mousse – Wildkräuter erhob Bernd Stimme und Mikrofon und absolvierte gekonnt das Pflichprogramm und dankte allen, die den Seniorenclub übers Jahr hinweg am Laufen gehalten haben. Dann ging der Dank in die Küche, an die Bar und den Tischservice, die allesamt großes Lob und den Applaus der Versammelten mehr als verdient haben.
Die Stimmung hob sich entsprechend der Gläser, mit denen an den Tischen angestoßen wurde und die meisten der Anwesenden liessen ihre Zustimmung zum Hauptgericht: Roastbeef mit einer Kräuterkruste – Schwarzwurzel – Spinatgemüse – Kartoffenrostzwiebelstampf deutlich verlautbaren.
Und wie stets war dann die Stunde gekommen, die für Bernd reserviert ist, für seinen Vortrag. Er stieg auch gleich ein mit der Bemerkung, dass er den Vortrag aus 2019 zeitlich und thematisch verdichtet hat, so dass niemand Gefahr läuft, ob eines zu langen Vortrags heute zu unterzuckern.
Gewohnt gekonnt umschiffte Bernd Untiefen und Gefahren, die mit dem Thema Tugend unweigerlich verbunden sind, navigierte durch die Begriffsgeschichte, angefangen bei der antiken Griechen, den Römern, der christlich-katholischen Lehre, ohne die Gelegenheit zu verpassen, einen odentlich Hieb auf die doch eher mangelhaften Tugend-Vorstellungen der modernen und der aktuellen Geschichte auszuteilen, auch nicht ohne eine humorvolle Seite zu zeigen, die ihm eigen ist.
Das alles geht nicht binnen weniger Minuten und hat, wie alles, eben seine Zeit. Zuviel für einige wenige, wie man nach einer Viertelstunde erfahren musste, als erste aus den hinteren Reihen eine Art Unterrichtsstörung versuchten; man war unweigerlich erinnert an John Bercows Order – Order Rufe im britischen Unterhaus während der hitzigen Brexit-Disskussionen 2019. So auch hier: ein, zwei Ordnungsrufe schufen wieder ein wenig Aufmerksamkeit, zumindest stille Zuhörerschaft dahinten.
Und die hatte der Vortrag verdient, gleichwohl vieles bereits vor vier Jahren vorgetragen worden war. Damals wie dieses Jahr hat Bernd über die Kardinaltugenden am meisten vorgetragen, über Klugheit und Weisheit, Gerechtigkeit und Mäßigung, also die Fähigkeit des Menschen, ein rechtes Maß bei allen seiner Verrichtungen, den geistigen wir den praktischen zu finden, was dem modernen Menschen bekanntlicherweise nicht immer gelingen will.
Es hätte sicherlich mehr Aufmerksamkeit hervorgerufen, hätte Bernd ein wenig mehr Zugang zur aktuellen Situation erlaubt. Warum er 2019 wie auch in diesem Jahr die höchste aller Tugenden, die Tapferkeit weggelassen hat, wissen wir nicht, aber wie aktuell sie heute wieder ist, wäre am Krieg der Ukraine gegen Russland leicht und mit mehr empirischen Bezügen möglich gewesen.
Erinnert sei daran, dass im antiken Athen man von Tugenden sprach, wenn jemand aus freien Stücken etwas für die Gesellschaft in Athen – nicht für sich selbst – eingebracht hat und was wiegt wohl mehr, als das eigene Leben für seine Gesellschaft in die Waagschale zu werfen.
Der Kampf der Ukraine gegen Russland demonstriert heute tagtäglich, wieviel Mut, Tapferkeit, bis hin zur Kühnheit Einzelner wie eines ganzen Volkes es bedarf, die Freiheit und Autonomie von Individuum und Staat zu verteidigen. Und wie wenig alle Kardinaltugenden heute hinter Wachstum, Wohlstand und induviduellem Nutzen und Vorteil zählen, muss ja nicht weiter als die Bernd das vortrefflich vorgetragen hat, betont werden.
Die Nachspeise: Portwein – Feige – Weisse Schokolade – Ziegenkäse war großartig, ebenso wie Leistungen der Senioren, die in den Listen der Besten des Jahres 2023 ausgezeichnet stehen – rechts in der Sidebar.
Damit war dann auch zugleich ein Themenwechsel, weg von den sozialen Tugenden hin zu den individuellen Sportleistungen verbunden und man hörte angeregte Beiträge zu der Frage, warum denn der eine oder der andere auf den Listen keinen der oberen Plätze dieses Mal erringen konnte.
Gesprochen wurde noch lange, das für manche dann doch zu intellektuelle Thema Tugend mit Weisswein aus Deutschland und Italien, Rotwein aus Italien und Argentinien runtergespült, viele genossen die hervorragend ausgewählten Tropfen bei angeregten Gesprächen bis weit nach 22.00h und stellten sich dann tapfer den Wetterunbillen, die mittlerweile wieder eingesetzt hatten, manch einer vielleicht ein wenig zu kühn im eigenen PKW.
Unser ganz besonderer Dank geht an alle, die auch diesen würdigen Jahresabschluss mit ihrem Engagement im Service ermöglicht haben.
