Dinkelsbühl

Geschichte – Eine reine Erfindung

Von romantischen Träumen geweckt.

Dinkelsbühl - Bayern - Deutschland

Dinkelsbühl - Bayern - DeutschlandZugegeben, auch wir haben uns etwas verwundert die Frage gestellt: wie kommt dieser Ort auf die Liste der historischen Städte? Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: durch reinen Erfindungsreichtum eines Bürgermeisters. Aber um die Spannung noch etwas aufrecht zu erhalten, von vorne an.

Eigentlich ist Dinkelsbühl ein kleines Kaff mit weniger als 12.000 Einwohnern. Es hat wie viele deutsche Kleinstädte – eine Stadt mit über 10.000 Einwohnern gilt hier schon als Stadt, wenn sie nur irgendwann einmal Stadtrechte bekommen hat – eine Geschichte, die im Mittelalter beginnt und irgendeinen Adeligen oder im Klerus bedeutenden Menschen aus ihrem Archiv ausgegraben hat.
Es ist ja regelrecht die Pflicht der Stadtoberen, zur wirtschaftlichen Gesundheit der Stadt ein paar historische Narrative zu finden – oder zu erfinden – die, wenn schon keine Dauerbewohner, wenigstens touristische Gäste anzulocken in der Lage ist.

Manchmal muss man sich sehr anstrengen und tief graben, um am Ende herauszufinden, das ist nicht von historischer Bedeutung, jedenfalls nicht von einer, die es nicht anderswo auch und meist umfangreicher gibt. Was tun also, dachte sich ein findiger Bürgermeister, der nicht einmal aus Celle, sondern aus Braunschweig heraus erfinderisch tätig wurde, um seine Stadt im historischen Ranking nach vorne auf der Aufmerksamkeitsskale zu bringen. Er benutzte dazu die Hinweise über frühmittelalterliche Verbindungen von Dinkelsbühl nach Nordwesten in Richtung Crailsheim, nach Südwesten in Richtung Ellwangen, nach Osten in Richtung Nürnberg, nach Norden in Richtung Rothenburg ob der Tauber und nach Süden in Richtung Ulm und formulierte diese Hinweise zu einer histrosch bedeutsamen Tatsache um.

Dinkelsbühl - Bayern - DeutschlandDinkelsbühl - Bayern - Deutschland

Und da das Ganze einen Namen brauchte, nannte der Augsburger Bürgermeister Wegele im Jahr 1950 aus Gründen der Fremdenverkehrsförderung den Abschnitt der damaligen Bundesstraße 25, der die alte Nord-Süd-Straße durch Dinkelsbühl (1236, „Dinkepole“) markierte, den alten Handelsweg entlang der Täler von Tauber, Wörnitz und Lech, über die im Mittelalter auch Pilger von Norddeutschland nach Rom zogen, „Romantische Straße“. Seitdem verbindet die Romantische Straße eine ganze Reihe von Städten mit weitreichend erhaltenen mittelalterlichen Stadtkernen, im zentralen Bereich zwischen Würzburg und Augsburg, insbesondere Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl, Nördlingen im Ries und Donauwörth. Und nebenbei wurde dadurch Dinkelsbühl ab1985 Geschäftsstellensitz der Arbeitsgemeinschaft „Romantische Straße“.
Die Bedeutung dieser vermeintlichen „Hochstraßen“, die bis heute notorisch und in der Regel überschätzt wird, wurde dazu noch mit einigen unzutreffenden Narrativen angereichert, eine davon ist die Bezeichnung der Romantischen auch mit „Nibelungenstraße“.

Dabei hat Dinkelsbühl durchaus ihren Platz in der Geschichte gehabt, nicht ausreichend, wie der Bürgermeister meinter, aber eben dafacto. Im Heiligen Römischen Reich konnte Dinkelsbühl während des 13. bis 14. Jahrhunderts den Status der Reichsunmittelbarkeit erlangen, womit die Reichsstadt Dinkelsbühl entstand und von diesem Datum an die Stadt königliche und kaiserliche Privilegien erhielt. Das war im Vergleich zu Celle zuwenig wie auch das Faktum, dass Dinkelbühl bei der Hexenverfolgung durchaus mitmischte. Celle zähle über 1.000 Fälle, Dinkelsbühl ganze fünf, die zwischen 1613 und 1661 mit Urteil ud Hinrichtungen bekannt geworden sind.

Dinkelsbühl - Bayern - Deutschland

Dinkelsbühl - Bayern - DeutschlandIm Jahre 1611 wurden drei Frauen der Hexerei angeklagt, für das Jahr 1613 sind zwei Todesurteile, für 1645 die Hinrichtung einer evangelischen Hebamme und für die Jahre 1655 und 1656 ein größerer Serienprozess mit acht angeklagten Frauen bezeugt.

Es wurde eine Frau lebendig verbrannt, sieben Frauen wurden enthauptet und danach verbrannt, eine Frau wurde enthauptet und nicht verbrannt, ein Mann wurde enthauptet und verbrannt (Gerfrid Arnold: Hexen und Hexer in Dinkelsbühl, Dokumentation zur Ausstellung im Rothenburger Torturm Hexen und Hexer in Dinkelsbühl, Dinkelsbühl, 2006).

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Tatsächlich wurden zwischen 1649 und 1709 im Ratsgericht weitere 40 Fälle von Hexenbezichtigungen verhandelt, die zu keiner Hinrichtung führten. Tabelle unten siehe Wikipedia/Dinkelsbühl.

Prozess Jahr Opfer Beschreibung
1 1613 Maria Gurr,
Catharina Gaßner
Die beiden katholischen Schwestern aus Ellwangen, die nach Dinkelsbühl eingeheiratet hatten, wurden in einem Ellwanger Hexenprozess der Hexerei bezichtigt. Eine Schwester, die schwanger war, bekannte alle Vorwürfe in der gütlichen Befragung. Sie wurde nach der Entbindung lebendig verbrannt. Die andere Schwester gestand nach der Folterung durch „Aufziehen“ und wurde mit dem Schwert enthauptet und anschließend verbrannt.
2 1645 Euphrosine Die evangelische Hebamme wurde 1645 als angebliche Hexe verhaftet. Man zwang sie, katholisch zu werden. Sie wurde von einem katholischen Inneren Rat verurteilt und am 7. Juli 1645 mit dem Schwert hingerichtet und anschließend verbrannt.
3 1655/1656 Sibilla Bidermann,
Catharina Deubler,
Margaretha Link,
Eva Peter,
Anna Strauß,
Margaretha Buckel
Eine Frau wurde von ihrem Ehemann des versuchten Giftmordes angeklagt und verhaftet. Unter der Folter beschuldigte sie ihre Mutter, ihre Schwester und weitere Frauen der Hexerei. Von den verhafteten Frauen wurden fünf mit dem Schwert hingerichtet und Margaretha Buckel starb während der Haft. Susanna Stadtmüller und Walburga Mangoldt wurden aus der Stadt verbannt, wobei die Angehörigen die Prozesskosten und ein Bußgeld bezahlen mussten. Das Urteil fällte der paritätisch besetzte evangelisch-katholische Innere Rat.
4 1658 Sebastian Zierer Der Mann wurde von einer Nachbarin und seinem Schwiegersohn angeklagt, Beinlähmungen und Schmerzen verursacht zu haben. Unter der Folter gestand er viele Personen mit Pulver vergiftet zu haben. Er wurde wegen Hexerei zum Tode durch Enthauptung und anschließender Verbrennung verurteilt.
5 1660/1661 Barbara Huckler Die Frau wurde beschuldigt, den Selbstmord ihrer Schwiegertochter verursacht zu haben. Obwohl der Ehemann der Bezichtigten gegen diese üble Nachrede beim Inneren Rat klagte, wurde sie wegen Hexerei verhaftet und verhört. Unter der Folter gab sie zu, Menschen mit „Drudenpulver“ vergiftet zu haben. Sie wurde ebenfalls enthauptet und verbrannt.

 

Letztlich blieb für Dinkelsbühl in historischer Hinsicht nur eine wunderschön erhaltene Altstsadt mit Fachwerk-Ensembles, einigen alten Toren, verwinkelte Gassen, ein Münster und ein Schloss, beide aber nicht wettbewerbsfähig im Vergleich mit anderen, aber sehr schön, und eine kleine Stauferstele.

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