„Gewänn ich nicht Liebe – doch listig erzwäng’ ich mir Lust!“
Wo kommt denn all das „Gold“ her? Der ganze Reichtum, mit dem sich ein paar wenige Schlösser, Burgen und Paläste gebaut haben. Hier im Ruhgebiet.
Und dazu gehören natürlich auch die großen Glaspaläste, die Konzernzentralen von Degussa, Thyssen-Krupp, Mannesmann, Klöckner, nicht gennant ein Dutzend andere und der ganze Bereich von Kohle- und Energieunternehmen aus der Montanindustrie, die alle zum inner circle gehören.
Und in der Mitte des Kreises standen die Hütten. Dort wurde das „Gold“ gekocht. Dort wurden Bodenschätze und menschliche Arbeit zu unermesslichem Reichtum und dieser zur Vorstellung von „unermesslicher Macht“ verwandelt.
Im Zuge der größten und weitreichendsten Revolution in Europa und das war nicht die Französiche sondern die industrielle Revolution, wurde das Ruhrgebiet zum Zentrum des ökonomischen und politischen Aufschwungs in Deutschland, zugleich auch wirtschaftliche Basis für den Weltherrschaftsanspruch von Hitler und den Nazis.
Wer also etwas erfahren möchte darüber, auf wessen Boden sein heutiger Wohlstand gewachsen ist, der sollte schnell, so das noch möglich ist, seinen Arsch aus dem Bürosessel heben und hierher kommen. Zum Beispiel zur Henrichshütte in Hattingen.
Er wird, wenn er/sie denn tatsächlich mal kommt, von dem, was es mal war, nichts mehr sehen. Aber was man hier noch sieht, regt die Phantasie und die Vorstellungskraft an und mit den Hinweisen und Hilfen, die man auf dem Gelände bekommt, kann man schon erahnen, wie aus Erz und Kohle der Stahl für das industrielle Zeitalter gekocht wurde.
Walzwerk und Schmiede sieht man nicht mehr, aber der Hochofen mitten auf dem Gelände allein ist einen Besuch wert. Gehen Sie nicht gleich rauf auf das stählerne Monster, und das ist eins, sondern folgen Sie dem Weg, den das Erz bis in den Ofen genommen hat.
Dann sehen Sie das Monster, das Reichtum und Tod gebracht hat, einmal ganz. Ein Hochofen, sachlich, ohne Berührung gesprochen, ist eine großtechnische Anlage, in der aus einer ganzen Anzahl von Oxiden durch Reduktion und Schmelze flüssiges, über tausend Grad heißes Roheisen erzeugt wird; so die sachliche Beschreibung.
Gehen Sie entlang der Bunker zur Lagerung der Einsatzstoffe (Möller: Eisenerz und Zuschlagstoffe) und der Heizstoffe (Koks) und sehen Sie runter auf den Boden, wo der Möller runter musste, um festsitzendes Material zu lösen und viele dabei ihr Leben ließen. Und das ist nur ein Besuch in der Vorhölle, da unten im Möller. Wenn alles lief, kam das Material auf die angeschlossenen Transport- und Leitungssysteme, mit denen sie am Ofenkopf in den Hochofen eingebracht wurden.
Die im Möller enthaltenen Zuschlagstoffe wie Siliciumdioxid (Quarzsand), Calciumoxid (Kalk) und andere dienen während des Hochofenprozesses zur Bindung der unerwünschten Bestandteile des Erzes in der Schlacke und senkten zudem die Schmelztemperatur des Eisens auf etwas über 2.000 Grad. Erst ab Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Stahlgigant mit Koks beheizt und ab 1828 n.Chr. zusätzlich mit Heißwind betrieben. Da waren aber schon über 3.000 Jahre Erfahrung mit der Roheisenerzeugung vergangen. Es dauert manchmal etwas von den Anfängen mit Holzkohle und Kaltluft, was ja auch schon eine Hochtechnik war, bis zur modernen Hochofentechnik.
Aber bei aller Technik, die ja auch unübersehbar in den Himmel ragt, waren es die Möller und die Meister, die die Qualität des Produkts garantierten. Jahrelange Erfahrung war vonnöten, um nicht eine nach der anderen Ladung in den Sand zu setzen.
Denn wenn das Material einmal in dem bis zu 75 Meter hohen Stahlmantel, der mit einer eineinhalb Meter dicken Schicht aus feuerfesten Steinen ausgekleidet ist, drin war, hatte die Glocke geschlagen. Immer abwechselnd wurde der Ofen von oben mit einem Gemisch aus Erz und Kalk ( Möller) und mit Koks beschickt.
Der schichtweise mit aufgegebene Koks diente als Energieträger und Reduktionsmittel und der über mehrere Düsen eingeblasene Heißwind lieferte den für die Verbrennung des Kokses nötigen Sauerstoff, um die manchmal benötigten 2.000 Grad Celsius zu erreichen.
Im äußeren Mauerwerk des Ofens befinden sich Hohlräume, durch die ständig Kühlwasser im Gegenstrom zum Möller fließt. Das Kühlsystem darf nie abreißen, muss 8-10 Jahre ununterbrochen funktionieren, denn so lang dauert ein Betriebszyklus eines Ofens, bevor er abgeblasen und gereinigt werden kann. Manche Hochöfen haben daher mehrere abgeschlossene Kühlsysteme.
Die Düsen, durch die unter hohem Druck bis zu 1.200 Grad heiße Luft in den Ofen geblasen wird, sehen Sie im unteren Bereich des Ofens. Was reinkommt muss auch wieder raus und so verlassen die heißen Abgase als Gicht bzw. Gichtgas den Ofen wieder im oberen Teil am Ofenkopf. Dort standen die Arbeiter immer gegen den Wind ausgerichtet, um vom Gichtgas nicht ohnmächtig zu werden. Denn wegen des Anteils an Kohlenmonoxid von 20-30% ist Gichtgas sehr giftig. Bei dem Aufenthalt in der Nähe von Gichtgasleitungen gelten deshalb besondere Vorsichtsmaßnahmen, die aber alle so oft die Hochofenarbeiter vor schweren Schäden bis hin zum Tod nicht schützen konnten.
Liest man heute über eine Hütte, dann fällt auf, dass (fast) nie über Gichtgas und die Gefahren bei der Verhüttung geschrieben wird. Regelrecht verleugnet werden auch heute noch die Opfer, Verletzte und Tote, die es zu Hauf gab. Die Scham derer, die die Männer jeden Tag zum Monster geschickt haben, wird wohl immer bleiben, denn Unfälle waren das nicht. Die Gefahr und ihre Konsequenzen waren einkalkuliert, Kollateralschäden des Industriezeitalters gewissermaßen.
Steigen Sie langsam wieder runter vom schwindelerregenden Ofenkopf – gehen Sie ruhig mal ganz rauf, da ist Kirmes – an den Zuführungseinrichtungen des von den Winderhitzern vorgewärmten Gebläsewindes im mittleren Teil des Hochofens vorbei zum Ofengrund.
Wenn Sie wieder ganz unten sind, noch einigermaßen beeindruckt, dann schauen Sie dem Monster direkt in den Schlund. Durch die leicht nach unten verbreiterte Form kann das oben zugegebene Material im Hochofen ständig nachrutschen. und dabei durch die immer höher werdende Temperatur verlüssigen. Am unteren Ende (der Rast) befindet sich die mit einem keramischen Stopfen verschlossene Abstichöffnung für das Roheisen, über die die entstandenen Hüttenprodukte Roheisen und Schlacke abgelassen werden können. Auch Schlacke und Gichtgas sind wertvolle Hochofenprodukte, die nach Aufbereitung zur Herstellung verschiedener Baustoffe beziehungsweise als Heizgas genutzt werden.
Zur völligen Entleerung („Sauabstich“) bei einer bevorstehenden Neuzustellung des Hochofens nach bis zu elf Jahren, meist 8-10 Jahren Betriebsreise, wie man eine Betriebsperiode manchmal nannte, ist an der tiefsten Stelle des Gestells sowie in dessen Boden je ein „Sauloch“ (auch Ofensau) angebracht, das dann von den Schmelzern geöffnet wird und aus dem alle glühenden Reste im Ofen herausfallen.
Gegründet wurde die Henrichshütte 1854. Sie war eines der traditionsreichsten Hüttenwerke des Ruhrgebietes, bekannt für ihren Edelstahl. Trotz wechselnder Eigentumsverhältnisse (1904–1930 Henschel & Sohn, 1930–1963 Ruhrstahl, 1963–1974 Rheinstahl, ab 1974 Thyssen AG) blieb der Name Henrichshütte stets bestehen. Ab 1987 wurde die Henrichshütte stillgelegt. 1987 Hochofen 2 und 3 sowie das Walzwerk, 1993 Stahlwerk, bis 2003 war Europas größte Schmiede im Betrieb.
Wegen der hohen Qualität, die man dort erreichen konnte, wählte einst der amerikanische Künstler Richard Serra die Henrichshütte zur Produktionsstätte seiner zahlreichen Stahlplastiken.
Der Gasometer wurde bereits 1994 gesprengt. Die mit allerlei schwermetallbelasteten Formsande in den Außenanlagen wurden mit Folien gegen Regenwasser geschützt und begrünt; für die Erholung der Nachkommen der einstigen Arbeiter; wohl bekomm’s. Langsam wächst Gras über die Geschichte, die Wohlstand und Fortschritt ins Revier gebracht hat. Die traurigen Hinterlassenschaften in Duisburg, Essen und Gelsenkirchen werden wir auch in anderen Beiträgen in Erinnerung halten.
Und wohin sind die einstigen Ruhrbarone, die unfehlbaren Montan-Konzernlenker, die Kapitäne der einst hier ansässigen und weltweit operierenden Schwerindustrie? Die meisten von denen waren für die Leitung anderer Branchen unbrauchbar. Einige konnte man günstig in Aufsichtsräte abschieben. Als Aufsichtsräte noch ruhige Sanatorien ehemaliger Top Manager waren; was aber heute auch nicht mehr der Fall ist.
Nun ja, am Ende der Geschichte sind sie wieder frei. Sie könnten im mittlerweile wieder einigermaßen sauberen Rheinwasser baden und von den jungen, lüsternen Rheintöchtern im Wasser des Flusses träumen. Aber so ging die Geschichte nicht aus. Denn auf den Nibelungen lastet Alberichs Fluch.
ALBERICH (sich erhebend)
Bin ich nun frei? (wütend lachend) Wirklich frei? –
So grüss‘ euch denn meiner Freiheit erster Gruss! –
Wie durch Fluch er mir geriet, verflucht sei dieser Ring!
Gab sein Gold mir Macht ohne Mass,
nun zeug‘ sein Zauber Tod dem, der ihn trägt!
Kein Froher soll seiner sich freun,
keinem Glücklichen lache sein lichter Glanz!
Wer ihn besitzt, den sehre die Sorge,
und wer ihn nicht hat, den nage der Neid!
Jeder giere nach seinem Gut,
doch keiner geniesse mit Nutzen sein!
Ohne Wucher hüt‘ ihn sein Herr; doch den Würger zieh‘ er ihm zu!
Dem Tode verfallen, fessle den Feigen die Furcht:
solang er lebt, sterb‘ er lechzend dahin,
des Ringes Herr als des Ringes Knecht:
bis in meiner Hand den geraubten wieder ich halte! –
So segnet in höchster Not der Nibelung seinen Ring!
Behalt‘ ihn nun, (lachend) hüte ihn wohl: (grimming)
meinem Fluch fliehest du nicht!
Und am Ende der Götterdämmerung liegt die Götterburg Walhall in Schutt und Asche, Siegfried und alle anderen Helden sind tot, die Herrschaft der Götter ein Desaster. Auf ins neue digitale Zeitalter Industrie 4.0. Prost!