Über die Nachdenklichkeit des Christenmenschen.
Wer in Köln ist, sollte sich das Kolumba Museum anschauen. Dieses Kunstmuseum des Erzbistums Köln ist ein Kleinod an Architektur und Sammlung und neben dem Wallraf-Richartz-Museum das älteste Museum in Köln. Der Name beruht auf dem am 15. September 2007 eröffneten Neubau des Schweizer Architekten Peter Zumthor an der Stelle der kriegszerstörten, spätgotischen Kirche St. Kolumba.
Der auf Sicht gemauerte Backstein wurde speziell für diesen Bau gebrannt und ist ein leitendes architektonisches Element sowohl innen wie außen. Zahlreiche, bodentiefe Glasfronten holen die urbane Gegend in das Museum hinein, kleine Lichthöfe und Gärten entspannen den Blick und die Atmosphäre. Enge, steile Treppen erinnern an romanische Kirchturmarchitektur, provozieren fast mittelalterliche Wehrturmbeklemmnis und bilden Kontrapunkte zu der nach außen hin offenen, unbegenzten Sicht.
Überraschend und überzeugend sind die vielen, bisweilen filigranen Details und die extrem harmonischen Proportionen. Angefangen von den Treppengeländern, der Boden- und Treppengestaltung, den Übergängen zwischen den kleine und den sich öffnenden Ausstellungsräumen. Die Bibliothek ist ein Refugium für nachdenkliche Menschen.
Unten erfährt der nachdenkliche Besucher vom Schicksal der Gorgone Medusa, ursprünglich eine betörende Schönheit, die Pallas Athene in einem ihrer Tempel beim Liebesspiel mit Poseidon überraschte (laut Ovid nahm Poseidon die Medusa mit Gewalt).
Darüber so erzürnt, verwandelte Pallas Atheneein sie in ein Ungeheuer mit Schlangenhaaren, langen Schweinshauern, Schuppenpanzer, bronzenen Armen, glühenden Augen und heraushängender Zunge, deren Anblick fortan jeden zu Stein erstarren ließ.
Ein Gang durch die Räume „Madonna in den Trümmern“ führt durch römische und mittelalterliche Geschichte bis hin zu den jüngeren Elementen der Zerstörung und des Untergangs von Kulturen, Besatzern und Despoten.
Einer Vergewaltigung wie die Medusa entging die Namenspatronin Kolumba zwar, weil sie sich als Christenmensch weigerte, den Sohn eines heidnischen Herrschers zu heiraten, doch wurde sie unter Kaiser Aurelian in Sens enthauptet.
Gleichsam wie ein Aufstieg mutet der Übergang ins Obergeschoß aus heidnischer in aufgeklärtere Zeiten bis in die Moderne der Kunst an. Ein Weg über viele, schmale Stufen, vorbei an Räumen der Erinnerung an Jahrtausende alte Geschichte und der Öffnung für neue Gedanken.
Das Museum ist eine ständig neue Synthese aus Sammlung und wechselnden Ausstellungen.
Es zeigt in jährlich mehrfachem Wechsel Werke der eigenen Sammlung in sich verändernden Kontexten und bleibt so nicht nur spannend, sondern auch für mehrfache Besuche eine stets neue Entdeckung und Nachdenklichkeit.
Werke von Künstlern wie Joseph Beuys, Manolo Millares, Antonio Saura und Antoni Tàpies findet man hier wie die weltweit umfangreichste Sammlung zu Paul Thek. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst finden sich Einzelwerke sowie Werkgruppen u. a. von Louise Bourgeois, Peter Dreher, Herbert Falken, Leiko Ikemura, Rebecca Horn, Roni Horn, Attila Kovács, Wolfgang Laib, Thomas Lehnerer, Joseph Marioni, Rune Mields, Agnes Martin, Thomas Rentmeister, Chris Newman, Richard Tuttle und Darío Villalba. Dabei liegt der Sammlungsschwerpunkt auf Papier-Skizzen, Entwürfen und Zeichnungsserien.
Ein Highlight ist sicherlich in Raum 8 der „Christus in der Rast“.
Eine Lindenholzfigur aus dem Jahr 1480 n.Chr. mit sichtbarer Grundierung und Resten farbiger Fassung, eine in der christlichen Kunst häufige Darstellungsform des Ecce homo, bei der Christus sitzend, oft als Klagegeste einen Arm auf dem Oberschenkel aufstützend, dargestellt wird, erinnert an Walther von der Vogelweide:
„Ich saß auf einem Steine“ an ein Innehalten in Einsamkeit und melancholischer Frömmigkeit, nachdenklich wie ein Mensch angesichts der Unverständlichkeit seiner Existenz.
„Siehe der Mensch“, so stellte der römische Statthalter Pontius Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaret vor, überließ ihn dem Urteil der jüdischen Führung, die daraufhin Jesu Kreuzigung forderte (Joh 19,4–6 EU).
Das typologische Vorbild ist die Darstellung des trauernden Ijob, der sein Schicksal beklagt, worauf sich die neueren Darstellungsformen aus dem 14 Jhd. wie die der Hans Witten zugeschriebenen Plastik im Braunschweiger Dom beziehen.
Kolumbastraße 4
50667 Köln
täglich geöffnet von 12 bis 17 Uhr
dienstags geschlossen