Goslar

Ein Schicksal der Geschichte

Zu lange im Widerstand.

Goslar - Niedersachsen

A.Savin, Wikipedia (Freie Kunst)

Goslar wurde im Jahr 979 erstmals urkundlich als Begbaustadt erwähnt. Das am südlichen Stadtrand liegende ehemalige Erzbergwerk Rammelsberg sowie die Altstadt von Goslar zählen seit 1992 unter der Bezeichnung Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO.
Erzvorkommen waren seit der Römerzeit von historischer Bedeutung, also gehört Goslar auch hier in unsere Liste.

Das Metall aus dem Harz und dessen Verarbeitung haben sich weit über die Grenzen des heutigen Niedersachsens hinaus verbreitet. Archäologische Funde aus England belegen, dass viele angelsächsische Grabbeigaben wie ein in London gefundenes Schwert aus Metall des Harzer Erzes gefertigt wurden. Die frühesten Nachweise für den Abbau und die Verhüttung von Rammelsberger Erz konnten dank der archäologischen Ausgrabungen am Herrensitz Düna bereits auf das 3. Jahrhundert n. Chr. datiert werden.

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Mit dem Erz wurden Waffen gefertig und meistens lag auch eine Münze am Ort, denn, wo Eisenerz da kommt nicht selten auch Silber vor. Wenig später entdeckte man auch die Möglichkeiten, die mit Kupfer und Blei verbunden sind, und so war es auch kein Zufall, dass der Begrbauort Goslar bald schon zur Kasiserpfalz sich entwickelt hat. Die Pfalz Goslar machte alsbald auch der Pfalz Werla den Rang streitig; die bisher dort tagende Stammesversammlung des sächsischen Adels fand seit dem Jahre 1009 in Goslar statt und im Laufe der Geschichte unter den Saliern fand die Entwicklung der Stadt zu einem der Zentren des Reiches ihren Höhepunkt.

Und wie auch andernortes folgten auf Bergbau, Münze, Kaiserpfalz die üblichen Neider aus dem Adel und dem Klerus um die Macht. Als „Blutpfingsten“ ist eine von vielen Streitereien bekannt geworden, die aber nur den Anfang im Jahr 1063 markierte und mit dem „Aufstand der Sachsen“ zehn Jahre später einen Höhepunkt fand. Nicht selten ging es bei den Fehden zwischen König und Feudalherren um Familien- Streitereien, um Macht, die in Blutbädern und Morden endeten. Gegenkönige und Gegenparteien erfanden sich im Willen zur Macht und machten selbst vor eigenem Blut nicht halt.

Die Jahre zwischen 1077 und 1152 waren solche blutigen Jahre, wurde Geschichte mit dem Blut auch der eigenen Familiensippen geschrieben. 1173 lehnte Friedrich I. in Goslar die von Heinrich dem Löwen geforderte Belehnung mit der Stadt als Gegenleistung für Gefolgschaft im Italienfeldzug ab. Goslar und der Rammelsberg blieben lange Spielball im Konflikt der Vettern bis zur Ächtung des Löwen. Im folgenden Krieg wurde Goslar 1180 aus der Belagerung durch Heinrich den Löwen vom Kaiser entsetzt. Der Löwe ließ die Hütten und Gruben zerstören, der Bergbau ruhte lange Jahre bis 1209 und die Bedeutung Goslars als Pfalz nahm ab.

König Otto IV. belagerte 1198/99 Goslar, musste sich aber vor Philipp von Schwaben zurückziehen. 1206 wurde Goslar – angeblich durch Verrat der Domina des Klosters Neuwerk – von Gunzelin von Wolfenbüttel, einem Gefolgsmann Ottos IV., erstürmt und geplündert.
Unter der Regierung Friedrichs II. fand der letzte Reichstag in Goslar statt, auf dem ein Ausgleich zwischen Staufern und Welfen gefunden wurde. Mit den Besuchen von Wilhelm von Holland in den Jahren 1252 und 1253 endete Goslars Zeit als Königspfalz.

Ab 1267 bis 1566 gehörte Goslar dem Städte- und Kaufmannsbund der Hanse an. Spätestens aus dieser Zeit stammt auch die Alte Harzstraße. Ab 1323 ist zudem der Schieferabbau und ab 1468 die Vitriolherstellung urkundlich belegt. Besonders der Handel mit Städten der Region, Sachsens, Thüringens und mit Köln war wichtig, weswegen der hansische Handel für Goslar nie die höchste Priorität besaß.

Feudale Fehden blieben fast schon Tagesgeschäft, bis im 16. Jahrhundert diese Fehden zwischen Protestanten und Katholiken, also als Glaubenskriege ausgetragen wurden. Der Schmalkaldische Bund, ein am 27. Februar 1531 in Schmalkalden geschlossenes Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten und Städte unter Führung von Kursachsen und Hessen gegen die Religionspolitik des katholischen Kaisers Karl V. übernahm die Regie auf der Gegenseite beim Töten und immer wieder hier in dieser Region folgten heftige Scharmützel um den Bierhandel und schließlich die Hexenverfolgung.
Goslar aber blieb weit entfern von der Anzahl an Exzessen, wie sie Bamberg in seiner Geschichte angesammelt hat. Zwischen 1530, als der erste überlieferte Hexenprozess gegen Venne Richerdes stattfand, und 1657 fielen etwa 28 Menschen der Hexenverfolgung zum Opfer. Das sind zwar immer noch 28 zu viel, aber in Bamberg sprach man von über 1.000 im gleichen Zeitraum.

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gemeinfrei

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Der Freiheitsdrang der protestantischen Städte endete auch in Goslar an ihrer mangelnden Verteidigungsfähigkeit. Unter welchen Schutz sie sich auch stellten, mal gehörten sie zu den Gewinnern, mal zu den Verlieren, aber immer wurde ein Stück Freiheit und Wohlstand verloren. Jeder bediente sich und immer wieder wechselte der Rammelsberg seinen Besitzer, 1642 waren es die Welfen.

Spätere Zeiten brachten die Stadt zwischen die Fronten der Hannoveraner und der Preussen und Goslar war nurmehr eine verarmte Provinzstadt mit einer kleinen Jägergarnison.
Über die geschundene Stadt fiel dann auch noch die nicht von sonderlich großer Geschichtskenntnis Zeugnis ablegende, bissige Ironie des Herrn Heine, der 1824 anlässlich seiner Harzreise sich hinriss zu: „Ich fand ein Nest mit meistens schmalen, labyrinthischen Straßen, […] und ein Pflaster, so holprig wie Berliner Hexameter. […] Das Rathaus zu Goslar ist eine weißangestrichene Wachtstube.“ (Zitiert nach: Heinrich Heine: Die Harzreise und andere Reisebilder. Deutsche Bibliothek Berlin o. J., S. 32.)

Nach dem Krieg von 1866 wieder preußisch, wurde Goslar ein beliebter Alterswohnsitz für pensionierte Städter. Berliner, Hannoveraner und Braunschweiger ließen sich besonders im Boom der Gründerzeit Villen am Steinberg und Georgenberg bauen.

Dann kamen irgendwann Hitler und seine Nazis, trieben den Rammelsberg wieder an, eröffneten hier rüstungsrelevante Betriebe und Einrichtungen, insgesamt 61 Betriebe, bedienten sich während des Zweiten Weltkrieg an mehr als 5.000 meist Zwangsarbeitern und Insassen des Aussenlagers des KZ Buchenwald und des KZ Neugamme. Einen Monat früher als zum 08. Mai 1945 kapitulierte die Stadt und wurde an die US-Streitkräfte übergeben.

Die Stadt Goslar zeigt bis heute die Spuren ihrer wechselhaften Geschichte zwischen Freiheitsdrang, Eigenständigkeit und Unterdrückung und Fremdherrschaft. Man meint, nur Menschen könnten ihre Geschicht in der gemäßigten oder beschädigten Ambivalenz zwischen Trauma und Phantasma erleben, dem ist nicht so. Immer wieder müssen wir lernen, dass Städte, Regionen, ganze Länder bzw. Staaten ihre Geschichte in einer eigenen Form der Zerissenheit zeigen.

So mag das als Beispiel dafür stehen: Vom 20. bis 22. Oktober 1950 fand in Goslar der erste Bundesparteitag der CDU statt. Unter dem Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit“ wurde dort die CDU Deutschlands gegründet; Konrad Adenauer wurde am 21. Oktober mit 302 von 335 Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt. Goslar hatte sich als Tagungsort gegen so illustre Städte wie Berlin, Frankfurt und Heidelberg durchgesetzt.
Bemerkenswert war im Jahr 1953 die hohe Anteilnahme der Stadt Goslar an der Trauerfeier des ehemaligen NS-Reichsbauernführers Walther Darré auf dem Friedhof Hildesheimer Straße am 9. September 1953: Neben ehemaligen NS-Größen wie Hartwig von Rheden nahmen mehrere hundert Goslarer Bürger wie auch ihr Oberbürgermeister Alexander Grundner-Culemann mit Oberstadtdirektor Helmut Schneider an der Beerdigung teil. Die Stadt übernahm sogar die Begräbniskosten. So schnell kann Geschichte in Vergessenheit geraten. Oder fand sie in diesem Begräbnis schon ihre Wiederauferstehung?

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