An jedem Giebel – an jeder Türe.
Hier wohnen Handwerker. Das sieht, das erkennt man an jedem Haus. Da steht gewissermaßen die Geschichte der Stadt Wiedenbrück und der Stadt Rheda, die beide im Zuge der Kommunalreform im Jahr 1970 mit den umliegenden Gemeinden Batenhorst, Lintel, Nordrheda-Ems und St. Vit zur Stadt Rheda-Wiedenbrück zusammengeschlossen wurden, an jedem Haus in Holz geschrieben.
Das für seine Geschlossenheit einst berühmte Stadtbild wurde durch Abbrüche und Neubauten vielfach gestört. Jedoch ging die Umgestaltung der Innenstadt hin zu Neubauten in den siebziger Jahren nicht so weit wie im Ortsteil Rheda. Als besonders schmerzlich wird der Verlust des für die Stadtgeschichte bedeutenden Schönhofes empfunden, der 1968 dem Ausbau der Wasserstraße weichen musste. Er wurde anschließend im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold wiederaufgebaut. In der jüngeren Vergangenheit hat man sich bemüht, Stadtreparatur zu betreiben und es ist durchaus gelungen, erforderliche Neubauten besser einzupassen.
Was nun ist das Besondere an den Häusern von Rheda Wiederbrück? Sie markieren den architektonischen Anfang der giebelständigen Fachwerk-Dielenhäuser, Bürger- bzw. Handwerker oder Stände-Häuser, die zum Teil mit Schnitzereien versehen sind. Charakteristisch für diese Bauten ist die hohe zweigeschossige Diele, die an der Straße durch ein großes Tor erschlossen wird. Wir kennen solche typischen Bürger-Häuser aus z. B. Hamburg Blankenese oder aus dem Ort Nebel auf Amrum, die außen Zeichen trugen, dass hier Kaptäne zur See oder Offiziere wohnten und lebten.
Sie grenzen sich ab von den sogenannten Ackerbürgerhäuser – ein etwas misslicher Name – Häuser also, die historische Gebäudestrukturen bezeichneten, die große Toreinfahrten besaßen und für einen Landwirtschaftsbetrieb geeignet waren. Die Häuser standen oft am Rand der Städte in der Nähe der Stadttore, damit die Ackerwagen nicht den allgemeinen Verkehr behinderten; oft wird auch der Begriff „Scheunenviertel“ genannt, die entlang der Ausfallstraßen vor den Toren einer Stadt zu finden waren. Das Hallenhaus, wegen seines regionalen Bezuges auch niederdeutsches Hallenhaus genannt, ist ein im 13. bis 15. Jahrhundert aufgekommenes Wohnstallhaus der bäuerlichen Bevölkerung in Fachwerkbauweise; soviel der Vollständigkeit halber.
Da Wiedenbrück vor allem eine Stadt des Handwerks und zum Teil auch des Handels, aber keine Ackerbürgerstadt im eigentlichen Sinne war, findet man hier eben diese typische Architektur von Bürger-Häusern.
Die Wiedenbrücker Handwerker-Häuser waren zunächst Einraumhäuser, später kamen Stubeneinbauten dazu. Das Vieh war, anders als im Bauernhaus, in eigenständigen Gebäuden auf dem rückwärtigen Grundstück untergebracht und quasi als Signatur der Bewohner hatten die Häuser im Inneren später schön gestaltete Diehlen und halboffene Zwischenetagen, außen teils aufwendige Schnitzereien.
Heute noch zu sehen:
Katthagen 2. Dreigeschossiges Giebelhaus mit beschnitzten Füllbrettern, bezeichnet 1624.
In der Halle 2. 1567 errichtet, mit Utlucht und geschnitzten Fächerrosetten. 1963 umgebaut
In der Halle 4. Dreigeschossiges, 1513 d. Giebelhaus. Das Erdgeschoss z. T. massiv erneuert. Das Giebeldreieck und OG über Knaggen vorkragend
Kirchplatz 1. Mitte 16. Jh. Gebälk mit reichem Ornamentschmuck. Utlucht bezeichnet 1610.
Kirchstraße 10 (Fuchshöhle). 1686 nach dem großen Brand errichtet. Mit Utlucht und hübschem Barockportal.
Klingelbrink 25. 1582 bezeichnet, jedoch stark verändert. Mit reich verziertem Torbogen.
Mönchstraße 12. 1665.
Rietberger Straße 6, 8. Altes Künstlerhaus, mit aufwändigen Außenschnitzereien, Fachwerk. Dahinter, in der Hoetgergasse, das neue Wiedenbrücker Schule Museum in der Werkstatt des Künstlerhauses
In der Langen Straße finden sich zahlreiche gut erhaltene Fachwerkbauten des frühen 17. Jahrhunderts. Besonders schön ist die Baugruppe Nummern 27–35. An älteren Einzelbauten sind hervorzuheben:
Lange Straße 12. Giebelhaus mit Utlucht und Taubandknaggen von 1583.
Lange Strasse 27.(Pilgerhaus). Derzeit ältestes Fachwerkhaus Wiedenbrücks aus dem Jahr 1417. Mehrfach umgebaut. Großer Umbau im Jahr 1602. Gilt als das zweitälteste Fachwerkhaus in Westfalen.
Lange Straße 38. (Haus Ottens). Mächtiges Giebelhaus mit Speichergeschoss, errichtet 1635. Die Gefache waren mit einer Ziegel imitierenden Bemalung versehen. Nach einem Besitzerwechsel und auf Grund massiver Schäden wurde das höchste Fachwerkhaus der Altstadt von 2009 bis 2011 grundlegend und mit hohem Aufwand saniert.
Lange Straße 41. Der angeblich nach einem Umbau wieder eingefügte Torbogen ist mit 1598 bezeichnet.
Lange Straße 50 (ehemaliges Heimatmuseum). Giebelhaus mit reich beschnitztem Torbogen und figürlichen Knaggen, bezeichnet mit 1591. 1782 umgebaut
Lange Straße 55. Vierständerbau mit Auslucht, diese 1565 bezeichnet. Um 1980 völlig erneuert.
Lange Straße 60 (Ankervilla), das derzeit zweit-älteste bekannte Haus der Stadt wurde 1468 errichtet. Es dient jetzt als Café.
Lange Straße 72. Bezeichnet 1614. Die Gefache sind mit Backsteinen im Zierverband ausgefüllt.
Lange Straße 88. 1592 bezeichnet. Am Giebel Taubandknaggen, der Torbogen und die Schwelle mit Ranken beschnitzt.
Lange Straße 89. bezeichnet 1616.
Lange Straße 93. 1559 bezeichnet. Mit z. T. beschnitzten viertelkreisförmigen Fußbändern und Taubandknaggen.
Lange Straße 95. Bezeichnet 1607. (Siehe Wikipedia)
Wenn Sie lesen möchten, wie die Vorgeschichte von Rheda-Wiederbrück, als es nur Wiedenbrück gab, verlaufen ist, lesen Sie bitte hier…