Früher, so sagte man, sei die Region Umbrien und Marken ein Geheimtipp für Reisende; das war richtig. Nur leider ist es kein Geheimtipp geblieben, oder sagen wir besser, es konnte kein Geheimtipp bleiben, weil viel zu viele der verborgenen Schönheiten der Region sich irgendwann einem veränderten Tourismus einmal erschließen würden. Und so war es.
Heute fahren die ehemaligen Toskana-Verehrer lieber nach Umbrien oder in die Marken, gerade weil die Landschaft hier nicht diese sanfte, mit dem Sfumato der späten Nachmittagsstunden überzogene Hügelarchitektur hat.
Und weil es die einzige Region in Italien ist, die weder eine Küste noch einen Grenze zu einem anderen europäischen Land hat, darf man einigermaßen sicher sein, dass Massentourismus sich hier schwer verbreitet.
Hier fährt man hin, wenn die umbrischen Städte und die wilde Schönheit der Marken liebt. Perugia zum Beispiel, die Provinzhauptstadt, die in ihrem 600 Jahre alten Zentrum aus einem Labyrinth aus mittelalterlichen Häusern, verwinkelten Gängen und Treppenwegen besteht, die sich irgendwann stets zu Plätzen öffenen, auf denen eine um Jahrhunderte ringende Architektur sich den Blicken präsentiert, neidisch um jeden, den sie nicht einfangen konnten.
Oder Orvieto, diese klingende Assoziation von Kellern, Gängen und riesigen Zisternen, mit denen die auf einem Tuffsteinfelsen thronende Stadt durchzogen ist, durchzogen und geheimnisvoll unterteilt in eine Ober- und Unterstadt, wobei diese sich als große etruskische Totenstadt herausstellt, jene als zeitweilige Residenz der Päpste des Mittelalters und Fluchtburg, als Clemens VII. 1527 hierher fliehen musste, nachdem Rom in die blutigen Hände Karls V. und seinen deutschen Landsknechten sowie den spanischen und italienischen Söldnern gefallen und der römische Kirchenstaat im Sacco di Roma ausgeplündert worden war. Der Crocifisso del Tufo sowie der Dom bilden Zeugenschaft dieser Zeit, die längst noch nicht alle Geheimnisse preisgegeben hat.
Wir fahren einfach weiter und könnten jede Richtung nehmen und blieben doch immer in einer eigenen, spirituellen Welt. Wie in Assis, das erhaben und schön zugleich auf einem Hügel liegt; nicht selten hier. Von hier aus ging der Geist des Heiligen Franz um die Welt und findet man – so man zur richtigen Zeit die Stadt betritt – noch die Spuren seiner katholischen Spritualität, seine sogenannte Imitatio Christi, die, wie er selbst sagte, das Evangelium „sine glossa“, das heißt, ohne Hinzufügungen oder Veränderungen lebte. Man spürt noch den Atem seiner Predigten in der Pilgerkirche San Francesco, dem Kloster San Damiano oder im Eremo delle Carceri.
Kennen Sie Spoleto? Die Stadt ist ein Kleinod umbrischer Städtearchitektur, über 2000 Jahre alt und besitzt eine äußerst markante Altstadt, ein römisches Theater und eine ganze Reihe beeindruckender künstlerischer und architektonischer Monumente.
Wir fahren weiter, verlassenen aber nun die bekannten und etwas ausgetretenen Pfade in Richtung Montefalco, auch als „Balkon Italiens“ bekannt. Von hier oben aus geht der Blick Richtung Norden nach Assisi und bei günstigem Wetter über die saften Feldebenen bis nach Perugia. Nach einem entspannten Rundgang an der noch fast vollständig erhaltenen Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert entlang, kehren wir zurück in das kleine, wunderschöne Stadtchen, wo ein prächtiges Rathaus und die wiedererbauten, beeindruckenden Patrizierhäuser uns leicht zu einem Aperol, oder zwei und ins dolce far niente führen.
Zum Abendessen fahren wir dann nach Norcia, das am Fuß der Sibyllinischen Berge gelegen, direkt an den Nationalpark Monti Sibillini grenzend uns mit einer alten Stadtmauer und dem Platz des Hl. Sankt Benedikt begrüßt. Hier bestellen wir eins der traumhaften Trüffelgerichte, die in dieser Gegend bekannt und berühmt sind und vergessen auf keinen Fall eine kleine Auswahl der traditionellen Schweinswürste, für die das Dorf in ganz Italien bekannt ist, zu probieren.